EU-Kommission verklagt Deutschland: mangelnder Schutz der FFH-Gebiete

EmDee, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Am 18.02.2021 hat die Europäische Kommission mitgeteilt, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen des unzureichenden Schutzes der FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete innerhalb des Schutzgebiets-Netzwerkes Natura-2000) zu verklagen. Der Klage ging ein Vertragsverletzungsverfahren voraus, das die Europäische Kommission im Jahr 2015 eingeleitet und 2020 noch einmal verschärft hatte. Im Fall einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof drohen Deutschland hohe Strafzahlungen.

Im Kern bemängelt die EU-Kommission, dass

nicht alle FFH-Gebiete rechtlich gesichert sind,
– nicht für alle Gebiete ausreichend detaillierte und gebietsspezifische
Erhaltungsziele festgelegt worden sind,
-nicht für alle Gebiete die nötigen (auf ausreichend detaillierten,
gebietsspezifischen Erhaltungszielen beruhenden) Erhaltungsmaßnahmen
festgelegt worden sind,
-in mehreren Bundesländern die Managementpläne für die dortigen FFH-Gebiete nicht veröffentlicht worden sind (wenn diese überhaupt vorhanden sind!)

Es ist zu erwarten, dass die Kommission später auch gegen die gleichen Mängel bei
der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie in deutsches nationales Recht vorgehen wird. Die FFH- und Vogelschutzrichtlinie (Natura-2000) sind keine unverbindlichen Handlungsanweisungen für die EU-Mitgliedsstaaten, sondern verbindliches Gemeinschaftsrecht (englisch „directives“).

Auf die meist unterbesetzten Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise in Niedersachsen wird wieder viel Arbeit zukommen. Nur in Niedersachsen wurde nach Auflösung der Bezirksregierungen 2004 die Zuständigkeit für Natura-2000-Gebiete auf die Landkreise übertragen. Entsprechend dürftig sehen nicht wenige Landschaftsschutzgebietsverordnungen aus, die oft noch nicht einmal als eigentlich erforderliche strengere Naturschutzgebiete ausgewiesen wurden, mit denen die FFH-Gebiete in nationales Recht übertragen worden sind: Nutzungsfreundlich wurden die Verordnungen in den Vorabstimmungen mit der Landwirtschaft und dem lokalen Politklüngel auf Landkreisebene verwässert. Nicht wenigen Kreistagsmitgliedern sind die Inhalte der europäischen Natura-2000-Richtlinien entweder unbekannt oder wurscht – oder beides. Die Europäische Union in Brüssel ist eben weit weg und nur gut für Subventionen, weiter als der Mond, den kann man immerhin sehen. Die Folgen trägt bei einer Verurteilung Deutschlands vor dem EuGH  wieder einmal der Steuerzahler.

So kommentiert es die Europäische Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE):

Hintergrund: Die Verpflichtungen, die Deutschland 1992 wie die übrigen Mitgliedstaaten aus der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union zum Aufbau des Europäischen ökologischen Netzes Natura 2000 eingegangen war, wurden in Deutschland gründlich verkannt und ihre Einlösung von Politik, Wirtschaft und Kommunen behindert und verschleppt. Eine angemessene Auswahl der unter Schutz zu stellenden Gebiete legte Deutschland der EU-Kommission erst nach zehnjährigem Tauziehen, quälenden Nachforderungen, Mahnschreiben, Vertragsverletzungsverfahren und Verurteilungen vor dem Europäischen Gerichtshof vor. Zwar ist der Streit über die Gebietsauswahl, die am Ende respektable 15,4 Prozent der terrestrischen und 45 Prozent der marinen Fläche Deutschlands in 4.544 FFH- und sich teils überlagernden 742 Europäischen Vogelschutzgebieten umfasst, beigelegt. Gleichwohl ist ein Teil der Gebiete bis heute nicht oder nur unzureichend geschützt. Auch deshalb ist der Erhaltungszustand fast der Hälfte der Lebensraumtypen und eines Drittels der Arten, die in diesen Gebieten zu schützen sind, regierungsamtlich bestätigt unzureichend oder schlecht mit im Berichtszeitraum der letzten sechs Jahre teils deutlichen Verschlechterungen. 16 Jahre nach der im Zeitplan der Union terminierten Fertigstellung ist Natura 2000 in Deutschland immer noch eine Baustelle.

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