Deutsche Umwelthilfe: viel Lärm für Schweinswale

Toter Schweinswal an der Ems, 28. Juni 2012

„Industrie und Naturschutz“ suchten jetzt „Schallschutzlösungen“ für Kleine Tümmler (Schweinswale) beim Bau von Windkraft-Offshorefeldern („Parks“ sind es ja wohl nicht). Die Fachtagung „Offshore-Windparks: Industrie und Naturschutz suchen Schallschutzlösungen für Schweinswale“ befasste sich jetzt mit diesem Thema in Berlin, obwohl bereits monatelang in der Nordsee Fundamente für Windkraftanlagen mit zeitweise über 190 Dezibel Schallexpositionspegel in den Meeresboden gerammt wurden. Bleibt zu hoffen, dass man die Lösungen auch findet. Der nun für verträglich gehaltene Grenzwert von 160 Dezibel beim Rammen ist immer noch  extrem laut und für Meeressäuger gesundheitsgefährdend, lauter als der Mündungsknall eines Infanteriegewehrs 1m vom Ohr entfernt, und das als Dauerbeschallung für viele Wochen weittragend unter Wasser! Ein Grenzwert also, der sich ausschließlich an den derzeit technischen Möglichkeiten der Offshore-Industrie und nicht am Schutz der Meeressäuger orientiert. Noch immer ist unklar, woran die vielen Schweinswale in der Nordsee in diesem Sommer verendet sind, aufklärende Untersuchungen sind offensichtlich gar nicht beabsichtigt!

Dazu die „Whale and Dolphin Conservation Society“ am 21. Sept. 2012:

[…] Seit 2010 kein Geld für Schweinswal-Untersuchung

Schon verwunderlich, dass die pathologischen Untersuchungen an Schweinswalen, die seit mehr als einem Jahrzehnten regelmäßig durchgeführt wurden, nun plötzlich nicht mehr finanziert werden und dass genau in dieser Zeit mit den Bauarbeiten in der Nordsee begonnen wurde. […]

Kein Wort findet man dazu in der ganz unten stehenden Pressemitteilung der „Deutsche Umwelthilfe“ (DUH).

Zusätzlich zu den Schweinswalen werden im hohen Maße Zugvögel durch Windkraftanlagen auf See gefährdet, und Windkraftanlagen an

Riffgat: Schallschutzmanschette beim Rahmen von Monopile-Fundamenten, Foto (C): EWE, Presse

den Schifffahrtswegen sind ein Kollisionsrisiko für Schiffe aller Art, bis hin zum Großtanker. Welche Position vertritt die DUH eigentlich, die der Industrie oder des Naturschutzes? Wenn dort tatsächlich glaubwürdige Naturschutzvertreter säßen, müssten ganz andere Forderungen kommen. Für viele Schweinswale wird diese Tagung daher zu spät kommen, geht man von  Nervenschädigungen durch die bisherigen Rammarbeiten aus in diesem Sommer, die bis heute kaum öffentlich thematisiert wurden.

Eigentlich, aber nur eigentlich, stehen Kleinwale und Delfine unter dem Schutz des Abkommens ASCOBANS. ASCOBANS bedeutet „Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas“, zu deutsch: Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See. Das Sekretariat von ASCOBANS als Teil des United Nations Environment Programme (UNEP) befindet sich in Bonn.

Auf der WebSeite von ASCOBANS erfährt man immerhin etwas zur Bedrohung der Meeressäuger auch durch schädigende Rammarbeiten und den höllischen Lärm unter Wasser:

„Die kommerzielle Schifffahrt, industrielle Aktivitäten (z. B. Rammarbeiten und seismische Erkundungen), Explosionen und Sonaranlagen der Marine verursachen Unterwasserlärm. Diese Lärmbelästigung kann zu Verhaltensänderungen, körperlichen Schäden und sogar zum Tod führen.“

Gigantische Fundamente für Offshore-Windkraftanlagen, SIAG, Emden

Was also konkret unternehmen die ASCOBANS-Gremienmitarbeiter, um diese Schäden vertragsgemäß zu minimieren oder abzustellen? „Die „ernsten Folgen“ werden auch hier wieder einmal auf den so bequemen „Klimawandel“ geschoben, mit dem die Meeressäuger wohl am wenigsten Probleme haben dürften.

„Wie sich alle menschlichen Aktivitäten zusammen auf die Meeressäuger auswirken, ist schwer zu bestimmen. Klar ist aber, dass sie außerdem stark unter Nahrungsmangel durch Überfischung, Zerstörung der Lebensräume und dem Klimawandel leiden, mit ernsten Folgen für viele Wale, Delphine und Schweinswale.“

Auch die „anerkannten“ Naturschutzverbände und die vorgebliche Meeresschutzorganisation Greenpeace, wo man den Industrialisierung der Nordsee mit Windkraftanlagen propagiert, sind merkwürdig still, wenn es um das laute und nervenschädigende Getöse bei den Rammarbeiten auf See und die zeitgleich gehäuften Totfunde von Schweinswalen in der Nordsee geht; die Bauarbeiter können sich schützen, die Meeressäuger nicht. Die  jahrelangen unkritisch-lauten Rufe nach der Windenergie dieser Verbände hat offensichtlich schon taub gemacht für die sich daraus ergebenden realen Probleme des Natur- und Artenschutzes, nicht nur auf See. Auch „Öko-Lärm“ für die angeblich „naturverträgliche“ Stromerzeugung mit Windkraftanlagen ist Lärm, nicht nur bei Rammarbeiten, auch im anschließenden Betrieb.

„Deutlich sei geworden, dass Naturschutz und Windindustrie die Schützengräben verlassen hätten und gemeinsam den Erfolg der naturverträglichen Energiewende wollten“, zitiert die Pressemitteilung der DUH deren Geschäftsführer Michael Spielmann. Dieses „Schlachtfeld“ hat es nie gegeben. Die Spitzen der Naturschutzverbände und die der Windindustrie haben sich  nie aus gegenüberliegenden Schützengräben bekämpft, sich aber stets in der sicheren politiknahen Etappe fernab des Abwehrkampfes der Naturschützer vor Ort verständigt. Die windige Lobby hat die Geschäftsstellen-Naturschützer seit Jahren erfolgreich als Alliierte vereinahmt, sie zu mitverdienenden Ökostromanbietern gemacht und die tatsächlichen Auswirkungen der Windenergienutzung  auf Menschen, Tiere und Landschaften mit jahrelangem Propagandatrommelfeuer aus allen Medienrohren bis zur Volksverdummung verharmlost. Hier spricht der Wirtschaftsmann und nicht der Naturschützer.

2007 hatte die DUH sich schon einmal für den Kleinen Tümmler stark gemacht, mit dem an den Haaren herbeigezogenen Zeitgeist- Argument, Schweinswale würden wegen der Klimaerwärmung und dem dadurch Ausbleiben der Sandaale „verhungern“. Richtig ist, dass der Sandaal (engl. Sandeel) durch die Industriefischerei stark überfischt wird und in der Folge die Seevogelkolonien Schottlands gefährdet werden, weil die Nahrungsgrundlage der Vögel wegfällt (Link: BBC, 1999: Ministers consider sandeel fishing ban,  2004: Sandeel fishing ban is extended). Aus der gravierenden Überfischung wurde einfach eine Klimanummer gemacht, und Offshore-Windkraftanlagen sollen laut DUH vorgeblich auch gut für das Klima sein, obwohl sie nur wetterabhängig, also mit dem Wind funktionieren.

Die Deutsche Umwelthilfe ist auch schon vor Jahren als (Zitat) „Spendenwaschanlage“ der Naturschutzverbände für die Industrie bezeichnet worden, pdf: Oekofilz_DUH (ausführlicher Link http://www.projektwerkstatt.de/oekofilz/5_2wirtschaft.pdf , S.296)

Namen bei der DUH sind zwar nicht Rauch, dafür aber Schall: Rainer Baake, ehemaliger Staatssekretär bei Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), war bis Ende 2011 Geschäftsführer der DUH. Bemerkenswert die Unterzeichner der Presseerklärung der DUH:  Baakes Nachfolger Michael Spielmann kommt als Politologe und Volkswirtschaftler aus verschiedenen BUND-Landesgeschäftsstellen. Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, ist Hardcore-Windkraftverfechter und schied im Streit mit dem damaligen Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust 2004 aus der Spiegelredaktion aus, nachdem Aust einen Artikel über Erneuerbare Energien von ihm abgelehnt hatte.  Dr. Peter Ahmels, Leiter Erneuerbare Energien der DUH, war vorher Geschäftsführer des Lobbyverbandes „Bundesverband Windenergie“ (BWE).  Es ist daher auch nicht schwer zu erraten, woher der Wind bei der Deutschen Umwelthilfe weht und wem die Fachtagung in Berlin tatsächlich dienen sollte…

Dezibelwerte:

 – 140      Gewehrschuss, Raketenstart. EU-Grenzwert zum Schutz vor
               Gehörschäden.
150     Die akustische Waffe LRAD. Taubheit bei längerer Einwirkung.
160      Geschützknall  -Trommelfell kann platzen

—-

Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe, 26. September 2012

Offshore-Windparks: Industrie und Naturschutz suchen Schallschutzlösungen für Schweinswale

Berlin  – Pressemitteilung

Rammen von Fundamenten schädigt Meeressäugetiere bis hin zum Tod – Technische Eindämmung in Sichtweite – Quantensprung durch neue Fundamentkonzepte? – Verbindliche Schallschutzgrenzwerte als Treiber technologischer Entwicklung – DUH fordert wirksames Schallschutzkonzept der Bundesregierung und mehr Forschung zu den Folgen von Lärm auf die Unterwasserwelt – 200 Teilnehmer aus
Deutschland, den Nachbarländern und den USA bei DUH-Fachtagung in Berlin

Die Errichtung von Offshore-Windparks stellt für geschützte Schweinswale, Robben, viele Fischarten und andere Meerestiere ein schlimmstenfalls lebensbedrohendes Risiko dar. Gleichzeitig entwickelt die Windindustrie vielfältige Technologien, die die beim Rammen der Fundamente auftretenden extremen Lärmpegel wirksam reduzieren können oder beim Bau von Windenergieanlagen im Meer sogar ganz ohne die schallintensive Rammtechnik auskommen. Das sind die wichtigsten Botschaften einer zweitägigen Fachtagung („Herausforderung Schallschutz beim Bau von Offshore-Windparks“) zu der die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) am Dienstag und Mittwoch (24./25. September) in die Britische Botschaft nach Berlin geladen hat.

Die rund 200 Fachleute aus Industrie, Wissenschaft, Verbänden, Behörden und Politik waren sich weitgehend einig, dass der dynamische Fortschritt beim Unterwasserschallschutz vor allem Ergebnis eines herausfordernden Lärmschutzwertes (160 Dezibel) ist, der seit 2008 für den Bau von Offshore-Anlagen in Nord- und Ostsee verbindlich ist. „Offshore-Windenergie ist für das Gelingen der Energiewende unverzichtbar und bedeutet gleichzeitig immer einen schweren Eingriff in die Natur. Umso ermutigender war, dass während dieser Tagung durchgängig lösungsorientiert und nie ideologisch diskutiert wurde“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Michael Spielmann zum Abschluss der Tagung. Deutlich sei geworden, dass Naturschutz und Windindustrie die Schützengräben verlassen hätten und gemeinsam den Erfolg der naturverträglichen Energiewende wollten. Natürlich müssten naturschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden, auch weil andernfalls die Akzeptanz der Offshore-Technik verloren ginge.
Spielmann: „Der Innovationsdruck kommt aus dem Lärmschutzwert. Das haben mittelständische, aber zunehmend auch große Unternehmen verstanden und sich auf beeindruckende Weise auf die Suche nach technischen Lösungen gemacht“. Spielmann forderte die Bundesregierung auf, mit ihrem lange angekündigten neuen Schallschutzkonzept für die Schweinswale den Innovationsdruck aufrecht zu erhalten. Dies werde nicht nur der Meeresfauna auch jenseits der bedrohten Art helfen, sondern auch dazu beitragen, dass die deutsche Windindustrie ihre aktuelle Technologieführerschaft in der Welt verteidigen könne. Darüber hinaus habe die Fachtagung dringenden weiteren Forschungsbedarf zu den Folgen des menschengemachten Lärms für Fische und die sonstige Unterwasserwelt in Nord- und Ostsee ergeben. Hier müsse die Bundesregierung dringend entsprechende Mittel bereitstellen.

Anlässlich der Tagung stellten zahlreiche Unternehmen vielversprechende Konzepte zur Schallminderung vor, die teilweise schon erfolgreich bei der Errichtung der ersten deutschen Offshore-Windparks eingesetzt wurden. Zu ihnen gehören der so genannte „große Blasenschleier“ (der von vielen Teilnehmern bereits als „Stand der Technik“ angesehen wird) und zahlreiche Varianten, die mit festen
oder flüssigen Schallschutzmänteln arbeiten. Ein Quantensprung bei der Lösung des Lärmproblems könnte sich aus neuartigen Fundamentkonzepten ergeben, die schon in wenigen Jahren ohne die besonders problematische Rammtechnik auskommen könnten. Vorgeschlagen werden Fundamente, bei denen ähnlich wie bei horizontalen Tunnelbohrungen vertikale Gründungskörper in den Meeresboden gebohrt werden. Schwerkraftfundamente arbeiten mit großen (Beton-) Massen, die die Windkraftanlagen allein durch ihr großen Gewicht am Meeresboden verankern. Bei so genannten Bucket-Fundamenten werden überdimensionierte umgedrehte Eimer mittels Unterdruck in den Meeresboden eingeschwemmt. Sollten sich Konzepte wie diese auch ökonomisch darstellen lassen, könnten sie das Lärmproblem entscheidend, auf einem Niveau weit unter den heute gültigen Grenzwerten mindern.

Das wäre dringlich, denn bei den derzeit errichteten Offshore Windparks wird der in Deutschland gültige Lärmschutzwert von 160 Dezibel (dB) in 750 m Entfernung zur Emissionsstelle bei Rammarbeiten noch häufig überschritten. Deshalb verlangen Umwelt- und Naturschutzverbände den sofortigen verbindlichen Einsatz von Technologien, die geeignet sind die Schallschutzgrenzwerte einzuhalten. Die Offshore-Industrie hatte dagegen kürzlich in einem Positionspapier Übergangsfristen für vor 2008 genehmigte Windparks gefordert.

Vor allem die geschützten und insbesondere in der Ostsee vom Aussterben bedrohten Schweinswale sind von dem enormen Lärm beim Rammen von Offshore-Gründungen betroffen, weil sie sich ähnlich wie Fledermäuse in der Luft im Wesentlichen über Schall im Meer orientieren. Die negativen Auswirkungen von Unterwasserlärm auf den Schweinswal aber auch auf andere Meerestiere, wie Robben und Fische sind vielfältig und können von Störung und Vertreibung bis hin zu schweren Schädigungen, Verletzungen und Tod reichen.

In Deutschland sind aktuell erst etwa 200 Megawatt Offshore-Windleistung am Netz. Die Strategie der Bundesregierung zur Windenergienutzung auf See sieht vor, dass bis zum Jahr 2020 Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 10.000 und bis 2030 von 25.000 Megawatt installiert werden. Angesichts der in der Nordsee geplanten großen Zahl von Offshore Windparks müsse auch die kumulative Wirkung vieler zehntausend Rammschläge auf die Meerestiere untersucht und in die Schutzkonzepte integriert werden, ebenso die Überlagerung mit bisher kaum berücksichtigten anderen Nutzungen und Gefährdungen, wie zum Beispiel der Fischerei, der Ölförderung, seismischer Untersuchungen und des Schiffsverkehrs.

Hier werden in Kürze die Tagungsdokumente zur Verfügung stehen http://www.duh.de/schallschutz-tagung_2012.html

Die Tagung der Deutschen Umwelthilfe wurde vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert.

Pressekontakt:

Michael Spielmann, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel: 030 2400867-0; Mobil: 0160 90914431, E-Mail:
spielmann@duh.de

Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin,
Mobil: 01608950556, E-Mail: stoecker@duh.de

Dr. Peter Ahmels, Leiter Erneuerbare Energien, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel: 030 2400867-0; Mobil: 015116225863, ahmels@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel: 030 2400867-0, Mobil: 0171 5660577, E-Mail:
rosenkranz@duh.de

 

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