Schweinswale und Windenergie: vereint gegen Schallschutzkonzept

Kleiner Tümmler (Schweinswal), angespült an der Ems, Juni 2012, Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Willkommen in der Lobbykratie: Die „Stiftung Offshore-Windenergie“ („Sprachrohr der Offshore-Windenergie in Deutschland“), ein Lobbyverband der Windkraftindustrie und der Küstenländer, macht Druck gegen den notwendigen und gesetzlich gebotenen Lärmschutz der Schweinswale beim Bau von Offshore-Wind“parks“. Die Stiftung torpediert derzeit das sog. „Schallschutzkonzept“, das Bundesumweltminister Altmaier (CDU) in der vergangenen Woche zum Schutz des Kleinen Tümmlers oder Schweinswals in Hamburg vorstellen wollte. In einem ohnehin faulen Kompromiss, zusammen mit den Naturschutzverbänden erarbeitet, sollten die gleichzeitig bearbeiteten Offshore-Arbeitsflächen reduziert werden: Nur maximal 10 Prozent der Gesamtfläche sowie im Sommer maximal 1 Prozent eines besonders wichtigen Gebiets nordwestlich von Sylt (Kinderstube der Kleinen Tümmler) sollten zur selben Zeit durch den Bau der Offshore-Anlagen beeinträchtigt werden dürfen. Dazu müssten die Baustellen bei den extrem lauten Rammarbeiten mit ausreichenden Lärmschutzeinrichtungen versehen und der Bau der Anlagen zeitlich und örtlich koordiniert werden. Das würde zweifellos das Geschäftsmodell Offshore-Windenergie verzögern und beeinträchtigen.

Der technisch kaum realisierbare Lärmschutz ist das zentrale Problem der Windkraftanlagenbauer auf See, aber vor allem für die Schweinswale, deren Ortungssystem durch den enormen Baulärm mit zeitweise über 200 dB Schalldruck zerstört werden kann. Im Sommer 2012 wurden alleine an der Westküste Schleswig-Holsteins mehr als 130 tote Schweinswale angetrieben, und nicht, wie eigentlich nach dem ASCOBANS-Walschutzabkommen gefordert, untersucht. Die Zeitungsmeldung dazu, von der Wattenmeer-Nationalparkverwaltung Schleswig-Holstein in Umlauf gegeben, war kurz. Reaktionen der Naturschutzverbände darauf gab es nicht. Zeitgleich wurden Rammarbeiten am Offshore-Windpark „Riffgat“ vor Borkum mit z.T. mehr als 200 dB durchgeführt. Nach § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes besteht ein Störungs-, Verletzungs- und Tötungsverbot dieser streng geschützten Meeressäuger. Damit teilen die Schweinswale das Schicksal der Fledermäuse an den Windkraftanlagen an Land, die massenhaft an den Rotoren ums Leben kommen, genau wie viele Greifvögel, die ein ähnliches Schicksal teilen. Die toten Zugvögel auf See, die auch in großer Zahl an Windrotoren verunglücken, werden dagegen kaum gefunden.

Offshore-Windenergie: Fundament einer Anlage

Die „Deutsche Umwelthilfe“, die auch Naturschutzorganisationen vertritt, ist zusammen mit BUND, NABU oder Greenpeace inzwischen Komplize der Schweinswalbedrohung durch die windige Industrie. Das Ergebnis einer Tagung im Sept. 2012 in Berlin:

 „Die rund 200 Fachleute aus Industrie, Wissenschaft, Verbänden, Behörden und Politik waren sich  weitgehend einig, dass der dynamische Fortschritt beim Unterwasserschallschutz vor allem Ergebnis eines herausfordernden Lärmschutzwertes (160 Dezibel) ist, der seit 2008 für den Bau von Offshore-Anlagen in Nord- und Ostsee verbindlich ist.“

Aber auch 160 dB Dauerbeschallung, ständig das Mehrfache eines startenden Düsenflugzeuges, gemessen einige hundert Meter von den Rammarbeiten entfernt, ist kein „Fortschritt“. Dieser Wert ist immer noch absolut zu laut für das Ortungssystem für Schweinswale.

Die angeblich so ökologische Windenergiebranche geht so über Leichen: nicht nur über die der Schweinswale (Kleine Tümmler). Es ist unglaublich, wie die Akteure einschließlich der „Naturschutzverbände“ den Schutz der Meeressäuger wegen der Gewinnerwartung aus dem EEG oder der blinden ideologischen Fixierung auf eine nicht funktionierende „Energiewende“ oder eines imaginären „Klimaschutzes“ mit vorgeblichen „Kompromissen“ zur Disposition stellen. Eigentlich, aber nur eigentlich, müssten die Naturschutzverbände wie BUND oder NABU nun Sturm laufen gegen die Bedrohung der Schweinswale durch die Offshore-Industrie. Nur, man hört nichts! Die Verbände sind inzwischen längst Anhängsel der völlig verfehlten Energie- und Klimapolitik in Deutschland geworden.

Greenpeace-Aktivisten indes machten sich im Juni 2013 in Berlin vor dem Landwirtschaftsministerium tatsächlich für den Schutz der Schweinswale in der Nord- und Ostsee stark. Nur von der Gefährdung durch Windturbinen auf See war nicht die Rede. Als vermutliches Ablenkungsmanöver wurde wieder die seit Jahrzehnten bekannte Gefährdung durch die Fischerei thematisiert. Greenpeace unterstützt den Ausbau der Nord- und Ostsee mit Windturbinenfeldern und tritt selbst als Ökostromvermittler auf. Greenpeace-Protestschlauchboote, die um lärmende Offshore-Baustellen kreisen, wurden bisher noch nicht gesehen.

Die von Minister Altmaier einberufene Konferenz in Hamburg konnte also nicht stattfinden. Drei Tage vorher wurde der Termin abgesagt. Bemerkenswert: Auch die bündnisgrünen Umweltminister Habeck (S-H) und Wenzel (NDS) gingen auf Distanz zum ohnehin ungenügenden Lärmschutzkonzept aus Berlin. Das führt wieder einmal zu der Frage, ob der fachliche Naturschutz bei der vorgeblichen Öko-Partei tatsächlich gut aufgehoben ist….

Und das in der taz!:

taz, 13. Aug. 2013

Schweinswale in der Nordsee

Wind-Lobby stoppt Walschutz

Nach dem Protest der Offshore-Industrie gehen die Nord-Länder auf Distanz zum Lärmschutzkonzept. Darunter leiden die Schweinswale.

BERLIN taz | Die Planung war schon recht weit fortgeschritten. Am vergangenen Montag wollte Umweltminister Peter Altmaier (CDU) das „Schallschutzkonzept“ vorstellen, mit dem Schweinswale in der Nordsee vor dem Lärm der Baustellen von Windkraftwerken geschützt worden wären.

Geplant war eine Veranstaltung in Hamburg, wo sich wichtige Firmen der Branche befinden, zusammen mit Vertretern aller Küsten-Bundesländer, der Windkraft-Branche und von Naturschutzverbänden. Am 22. Juli wurde der Termin über den Verteiler geschickt, zusammen mit der letzten Fassung des Konzepts.

Doch drei Tage vor der geplanten Präsentation kam die dreizeilige Absage. Sie müsse „aus Termingründen“ verschoben werden. Ein neues Datum gibt es nicht; das Ministerium werde sich „zu gegebener Zeit wieder melden“, hieß es.

Hinter den vorgeschobenen Termingründen steht ein Konflikt zwischen Naturschützern und Windkraftbetreibern, der mit dem neuen Konzept eigentlich beigelegt werden sollte. Über zwei Jahre hatten Bund und Länder, Wirtschaft und Umweltverbände um den Plan gerungen, der die Interessen des Naturschutzes mit denen der Offshore-Windkraft in Einklang bringen sollte.

„Akzeptabler Kompromiss“

Kernpunkt des Konzeptes ist es, die Flächen der Nordsee, in denen der Lärm für Schweinswale zu hoch ist, zu begrenzen: Maximal 10 Prozent der Gesamtfläche sowie im Sommer maximal 1 Prozent eines besonders wichtigen Gebiets nordwestlich von Sylt dürfen demnach gleichzeitig beeinträchtigt sein. Um das zu erreichen, müssen die Betreiber von Offshore-Anlagen ihre Baustellen wohl zum einen mit mehr Lärmschutzvorrichtungen versehen. Zum anderen wäre eine stärkere zeitliche und örtliche Koordinierung der verschiedenen Offshore-Baustellen notwendig. Experten halten den Plan für gelungen. „Das ist ein gutes Konzept: Es hilft der Natur, ohne die Energiewende zu behindern“, sagt etwa Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes. Den Umweltverbänden ging das Konzept zwar nicht weit genug – etwa weil bereits genehmigte Anlagen ausgenommen sind. „Aber als Grundlage für eine spätere Weiterentwicklung ist es ein akzeptabler Kompromiss“, sagt etwa Kim Detloff vom Naturschutzbund (Nabu). Auch aus den Bundesländern soll grundsätzliche Zustimmung gekommen sein.

Auch Grüne auf Distanz

Doch die ist Ende Juli gekippt – und zwar offenbar nach einer Intervention der „Stiftung Offshore-Windenergie“, hinter der vor allem die Betreiberfirmen stehen. Sie warnte die Wirtschafts- und Umweltminister von Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein schriftlich vor einer Zustimmung zum Konzept. Um Investitionen nicht zu gefährden, sollten die Länder „dringend um eine Überarbeitung des Konzepts“ bitten, heißt es im Schreiben der Stiftung, das der taz vorliegt.

Vor allem Hamburg stellte sich daraufhin nach taz-Informationen entschieden gegen die Veröffentlichung. Doch auch die Grünen-Umweltminister von Schleswig-Holstein und Niedersachsen gingen vorsichtig auf Distanz. Trotz „guter Ansatzpunkte“ seien „einzelne Fragen noch zu diskutieren“, teilt Robert Habeck mit. Auch der Niedersachse Stefan Wenzel sieht noch „Diskussionsbedarf“ über den „Rechtscharakter“ des Konzepts.

Altmaier, der ohne Unterstützung der rot-grünen Länder offenbar nicht handeln will, hat sich nun direkt an die Ministerpräsidenten gewandt, um eine Einigung zu erreichen. Das Konzept stelle eine „Balance zwischen den Erfordernissen des Windenergieausbaus und dem Schutz der Schweinswale“ her, schreibt er.

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