Nachtrag 30. Jan. 2023: Eine Antwort auf diesen „Offenen Brief“ gab es nicht, die Lokalpresse ignorierte ihn.
Offener Brief, 15. Jan. 2023
An den
Samtgemeindebürgermeister Harald Hinrichs
Ratshaus
Esens
per eMail
Noch mehr Windenergie in der Samtgemeinde Esens durch das „Wind-an-Land-Gesetz“? Welche Bedeutung hat die Bürgerbefragung von 2016, die sich gegen weitere Windkraftanlagen entschied?
Guten Tag, Herr Hinrichs,
der „Anzeiger für Harlingerland“ aus Wittmund vom 13. Januar 2023 berichtet dies:
„[…] Vorbereitung, Ordnung und vor allem Wertschöpfung – diese Aspekte sind der Samtgemeinde Esens wichtig, wenn es um Wind- und Solarparks geht. Darüber berichtet Samtgemeindebürgermeister Harald Hinrichs ein einem Pressegespräch mit seinen Vertretern Karin Emken und Erwin Freimuth. ´Es geht um richtig, richtig viel Geld´, sagt Karin Emken. Umso wichtiger sei es, Wildwuchs zu verhindern und die Beteiligung bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu halten. […] Was die Windenergie angeht, will sich die Samtgemeinde auf die Ziele des ´Wind-an-Land-Gesetzes´ vorbereiten.
Das Gesetz tritt am 1. Februar in Kraft. Zwei Prozent der Landfläche von Deutschland soll für Windkraftanlagen ausgewiesen werden – aktuell sind es 0,8 Prozent.“
Abgesehen davon, dass Sie nicht verantwortlich für dieses Gesetz sind, zeigt das Gesetz erhebliche inhaltliche Schwächen bis hin zum Unsinn auf. Es entstand mit Sicherheit durch die enge Verflechtung zwischen der Windenergiewirtschaft und Teilen der Ampel-Regierung.
Das „Wind-an-Land-Gesetz“ der „grün“ dominierten Bundesregierung begründet das Gesetz u.a. so: „Der Ausbau der Windenergie ist entscheidend, um die Unabhängigkeit von fossilen Importen zu stärken und die Klimaziele zu erreichen.“ Das ist pure Ideologie oder einfach nur Unsinn, weil volatile wetterabhängige Stromerzeugung mit Windenergie kein Öl, Kohl, Gas oder Uran ersetzen kann. Das Gesetz wird wahrheitswidrig sogar als naturschutzkonform bezeichnet: „Im Einklang mit dem Naturschutz – Damit der Ausbau der Windenergie deutlich vorankommt und der Naturschutz gewahrt bleibt, hat die Bundesregierung das Bundesnaturschutzgesetz novelliert: Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, gelten für die artenschutzrechtliche Prüfung nun bundeseinheitliche Standards. Das Gesetz stellt klar, dass der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Landschaftsschutzgebiete können in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden.“
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/wind-an-land-gesetz-2052764
Der vorgebliche „Einklang mit dem Naturschutz“ ist nur politisch passend gemacht worden: Richtig ist, dass lästige genehmigungshemmende artenschutzrechtliche Vorgaben im Bundesnaturschutzgesetz (§§44 und 45) im Sinne der Windenergienutzung entschärft wurden und Genehmigungsverfahren zum Nachteil des Artenschutzes beschleunigt werden sollen. Zudem gibt es kein „überragendes öffentliches Interesse“ für den Betrieb von Windkraftwerken. Dieser Passus soll nur das Hindernis der EU-rechtlichen Überprüfung überwinden. Windkraft trägt laut Bundeswirtschaftsministerium mal gerade mit 3,5 Prozent zum Primärenergieverbrauch in Deutschland bei und ist auf ausreichend verfügbare Regelenergie zur Netzstabilisierung durch Wärmekraftwerke angewiesen. Windstrom wird nicht bedarfsgerecht erzeugt und ist nicht grundlastfähig, alles Binsenwahrheiten, nur nicht für lobbygesteuerte Politiker. Mehr Windenergie bedeutet auch mehr Gasverbrauch für schnell reagierenden Gaskraftwerke bei schwankender Windstromeinspeisung. Und mehr Windkraftanlagen bedeuten bei Flaute oder Schwachwind nicht mehr Stromerzeugung: Null mal null ist null!
Die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Sinne der Windenergienutzung wird u.a. mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine begründet, ein an den Haaren herbeigezogenes Argument, von dem die Kriegsgewinnler der Windenergiewirtschaft, die eng mit der Politik verbandelt sind, profitieren. https://dserver.bundestag.de/btd/20/023/2002354.pdf
Zur Erinnerung: Das russische Importverbot für Erdgas unterliegt keinen Sanktionen der EU, es beruht auf dem freiwilligen Boykott der EU, ist also ein hausgemachtes Energiemangelproblem, das durch mehr Windenergie nicht annähernd zu kompensieren ist. Mit dem staatsterroristischen Akt der Sprengung der Nordstream-Gaspipeline wurden Fakten geschaffen, die Deutschland nun abhängig machen von teuren alternativen Flüssiggas-Importen vor allen des USA-Konzerns ConocoPhillips, die mit Tankschiffen angelandet werden. Deutschland als Spielball der atlantischen Geopolitik?
Im Landkreis Wittmund und im direkt angrenzenden Landkreis Aurich gibt es bereits mehrere Windparks mit hunderten Anlagen, eine der höchsten Anlagendichte in Deutschland. Auf dem Gebiet der Samtgemeinde Esens stehen mit dem Windpark Utgast und dem Windpark Stedesdorf mindestens 53 Windkraftanlagen. Die Zeitung berichtet so: „In der Samtgemeinde Esens sind aktuell 4,3 Prozent der Fläche für Windenergie vorgesehen. Aber: ´Es werden nicht alle Windkraftanlagen, die hier bereits stehen, zu 100 Prozent angerechnet´, erklärt Harald Hinrichs. In Utgast sind die Windräder in ihrer Höhe auf 100 Meter begrenzt und können deshalb eventuell nicht ganz angerechnet werden. In Stedesdorf, wo zehn Windräder stehen, sei noch mehr Platz. Aus diesem Grund will die Samtgemeinde sich darauf einstellen, mehr Windkraftanlagen zulassen zu müssen – anstatt sich von der Welle überrollen zu lassen.“ Bekanntlich soll jedes Bundesland nach dem Wind-an-Land-Gesetz 2 Prozent seiner Fläche für die Windkraftnutzung bereitstellen, in der Samtgemeinde Esens sind es nach Ihren Worten bereits „4,3 Prozent“. Ich bitte Sie um Auskunft, warum diese Flächen in Utgast wegen der Höhenbegrenzung der Anlagen nicht angerechnet werden können. Woher entnehmen Sie das? Im Raum Wittmund/Aurich gibt es bereits eine enorme Dichte von Windparks (den„Wildwuchs“ gibt es bereits, das „Argument“ wurde von Politik und Verwaltung schon vor Jahren strapaziert und hat zur weithin sichtbaren Landschaftsverschandelung nicht nur in Ostfriesland geführt!), warum hier noch mehr Anlagen errichtet werden sollen, kann ich mir nur durch die erneute Goldgräberstimmung der Investoren aufgrund des neuen Gesetzes erklären; zur Umsetzung braucht man aber die Lokalpolitik und die Verwaltung, und da haben Sie sich und Stadtbürgermeisterin Karin Emken als SPD-Neumitglied des Niedersächsischen Landtags ja schon klar positioniert: „Wertschöpfung“ für ein paar Beteiligte statt Anwohner-und Landschaftsschutz.
Die Wertschöpfung wird, ganz nebenbei, vom Steuerzahler für die risikolose garantierte Einspeisevergütung des Windstroms bezahlt. Es gäbe auch den Weg der Klage gegen das Gesetz durch die kommunalen Spitzenverbände wegen die Übergriffigkeit der Ampel-Regierung gegen die kommunale Selbstverwaltung.
In der Samtgemeinde Esens/LK Wittmund gab es zudem 2016 eine Bürgerbefragung: „Sind Sie für die Errichtung neuer beziehungsweise Verdichtung bestehender Windparks im Gebiet der Samtgemeinde Esens?“ 20,25 Prozent der Teilnehmer stimmten damals mit „Ja“, 79,75 Prozent mit „Nein“, eindeutiger geht es nicht.
In Nachbarkommunen gab es zwar keine Bürgerbefragungen, dafür aber nicht zu überhörende Proteste:
Windkraft in Ostfriesland: Es reicht! Bericht von zwei Veranstaltungen – Streit der Windbarone
Sie hat aber schnell gelernt: Sie bläst als brave Parteisoldatin brav in das Horn der Landesregierung und will die Bürger mit Geld über die Bürgerbeteiligung an mehr Windkraftanlagen ködern. Diese Verlockungen haben Investoren im Landkreis Wittmund vor Jahren bereits vor der Abstimmung über die Flächen mit den abstimmenden Ratsmitgliedern angewendet, einige wurden nachher als Kommanditisten an den Erträgen beteiligt, siehe hier am Beispiel der Nachbargemeinde Holtriem.
Das Abstimmungsverhalten in der Gemeinde Holtgast/SG Esens vor der Entstehungen des Windparks Utgast (der später ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Verträglichkeitsprüfungen direkt am EU-Vogelschutzgebiet „V63 – Seemarschen von Norden bis Esens“ vom Landkreis Wittmund genehmigt wurde) koppelte der damalige Hersteller an eine sechsstellige „Schenkung“ an die Gemeinde Holtgast (siehe Vertrag als pdf verlinkt).
Das wird von Kritikern „Korruption“ genannt, hatte aber keine Folgen für die beteiligten „Volksvertreter“. Und nun ist es vorgeblich ein Krieg in Europa, der (noch) nicht unser Krieg ist, der als Begründung für den weiteren beschleunigten Windkraftausbau unter gleichzeitigem Abbau von Naturschutzstandards herhalten muss. Die windige nimmersatte Branche und die damit eng verbundene Politik ist eben erfinderisch und auf die „Vollstrecker“ in den Kommunen angewiesen.
Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake
Der Blog „exit esens“ hat den Vorstoß für mehr Windkraftanlagen im Gemeindegebiet ebenfalls am 15. Jan. 2023 aufgespießt: