
Windpark Utgast, Abbruch der Altanlagen, 2017 – Foto: Manfred Knake
von Manfred Knake
Aufgrund von aktuellen Berichterstattungen der nicht ordnungsgemäßen Entsorgung von deutschem Altanlagen-Windkraftschrott z.B. in Tschechien (siehe hier) fragte ich über den Wattenrat Ostfriesland zunächst beim Landkreis Aurich an, wer den Windkraftschrott vor dem Repowering in Riepe wohin entsorgte. Der dortige Landrat konnte das nicht beantworten. Im zweiten Fall wurde von mir beim Nachbar-Landkreis Wittmund am 09. Mai 2025 per Mail angefragt, wer die Altanlagen beim Repowering des Windparks Utgast in der Samtgemeinde Esens ab 2017 wohin entsorgt hatte.
Betreff: Windkraft, hier: Entsorgung nach dem Repowering in Utgast/SG Esens/Holtgast?
Herrn Landrat
Holger Heymann
Wittmund
Windkraft
hier: Entsorgung des Schrotts nach dem Repowering in Utgast/SG Esens/Holtgast?
Guten Tag Herr Heymann,
auf Grund verschiedener Veröffentlichungen des Wattenrates zur Entsorgung des Windkraftschrotts aus Riepe im LK Aurich (u.a. hier:
wurde die Frage an mich herangetragen, wohin der Schrott (u.a. kunststofflaminierte Rotoren) nach dem Rückbau des alten Tacke-Windparks ab 2017 in Utgast entsorgt wurde und welcher Recycling-Betrieb damit beauftragt wurde.
und
https://www.wattenrat.de/2017/05/16/oekologische-rauchzeichen/
Unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz bitte ich um eine zeitnahe Beantwortung.
Freundliche Grüße
Manfred Knake“

Windpark Utgast/LK Wittmund: Rückbau der Altanlagen, abfackeln von Altöl- und Fettresten, die aus der Rotorgondel in den Mast gesickert waren – Foto: Manfred Knake
Am 20. Mai 2025 wurde die Anfrage von Landrat Holger Heymann (SPD) per Mail beantwortet:
Sehr geehrter Herr Knake,
der Rückbau und die Beseitigung von baulichen Anlagen (ausgenommen Hochhäuser) ist nach § 60 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) verfahrensfrei. Das bedeutet, dass weder der Rückbau noch die Beseitigung dem Bauamt angezeigt werden müssen.
Die Pflicht der Anlagenbetreiber zur ordnungsgemäßen Entsorgung abgebauter beziehungsweise ausgehobener Anlagenteile wird durch abfallrechtliche Maßstäbe ausgefüllt. Für die zu demontierenden Anlagen sind unter anderem die Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) und, soweit es sich um bestimmte Bau- und Abbruchabfälle handelt, die Anforderungen der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) zu beachten. Die Einhaltung der Entsorgungsvorgaben, so auch die der GewAbfV und die nach §§ 6 bis 8 sowie § 15 KrWG, unterliegen der allgemeinen Überwachung der zuständigen Behörde. Zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Entsorgung kann anlassbezogen die zuständige Behörde vom Betreiber der Windenergieanlage insbesondere die Vorlage entsprechender Dokumentationen und Belege sowie die Erteilung anderweitiger Auskünfte verlangen. Eine Überprüfung der Entsorgung der zurückgebauten Windkraftanlagen im Windpark Utgast erfolgte nicht, da keine Hinweise für eine nicht fachgerechte Entsorgung der Anlagen vorlagen.
Herzliche Grüße
Holger Heymann“

Windpark Utgast: teilentfernter Fundamentsockel einer Tacke-TW-600 – Foto: Manfred Knake
Die von Landrat Heymann vorgebliche „fachgerechte Entsorgung“ der abgängigen Tacke-TW600-Anlagen, deren Verbleib er zudem nicht kennt, darf bezweifelt werden: “Eine Überprüfung der Entsorgung der zurückgebauten Windkraftanlagen im Windpark Utgast erfolgte nicht, da keine Hinweise für eine nicht fachgerechte Entsorgung der Anlagen vorlagen.” Würden denn die verantwortlichen Betreiber „Hinweise“ geben“, dass der Schrott nicht sachgerecht entfernt wurde?
Zudem stellt sich die Frage, warum in seiner Antwort das Baugesetzbuch nicht erwähnt wird. Nach § 35 Absatz 5 Satz 2 BauGB sind die Anlagen zurückzubauen und auch Bodenversiegelungen (also die Fundamente) vollständig zu beseitigen. Kontrolliert der Landkreis, der auch für die Baugenehmigung zuständig ist, das nicht? Oder anders gefragt: kontrollieren sich die Betreiber selber?
Dazu der Verwaltungsgerichtshof Hessen, Beschluss vom 12.01.2005 – 3 UZ 2619/03:
„Um die Beeinträchtigung beim Landschaftsbild und im Funktionszusammenhang beim Schutzgut Boden rückgängig zu machen, ist nicht nur der Ausbau des oberirdischen Teils der Windkraftanlage geboten, sondern auch die Entfernung des Betonfundaments“
(siehe auch: Bundesverband Windenergie, BWE, 20180611_bwe_hintergrundpapier_rueckbau)
Die Fundamente von ca. 40 Anlagen wurden in Utgast nur ca. 1 bis 1,50m unter Geländeoberkante entfernt, der Rest liegt bis heute im Boden. Die Abbruchfirma fuhr PKW (Dacia) mit rumänischen Kennzeichen.

Windpark Utgast, LK Wittmund/NDS: Bagger mit Betonmeißel entfernt Fundament einer Tacke-TW 600-Altanlage, Oktober 2017 – Foto: Manfred Knake
Das NDR-Fernsehen recherchierte vor einigen Jahren zum Windkraft-Rückbau und bat mich für den Programmplatz „Panorama 3“ im November 2017 zu einem Interview „vor Ort“ in Utgast, um zu den dortigen Rückbauarbeiten im Windpark Utgast Stellung zu nehmen.
Als das Drehteam mit mir den Windpark Utgast aufsuchte,verließ das Abbruchunternehmen mit einem rumänischen Dacia zeitgleich das Gelände.Es gab also nicht mehr viel zu sehen, nur die Löcher mit den Fundamentresten. Hatte irgendjemand durchgestochen, dass es zu unbequemen Fragen zu den Abbrucharbeiten vor laufender Kamera kommen könnte? Am nächsten Tag, als das Fernsehteam abgereist war, wurden die Abbrucharbeiten wieder aufgenommen. Vor Ausstrahlung des Fernsehbeitrages rief mich der bearbeitende Redakteur an und teilte mir mit, dass das mit mir im Windpark aufgenommene Interview geschnitten und nicht gesendet würde. In der dann ausgestrahlten Sendung am 23. Januar 2018 wurde eine Karte mit den Landkreisen verschiedener Bundesländer aus Norddeutschland eingeblendet und diese farblich mit rot, grün oder grau markiert. Rot: In diesen Landkreisen werden die Betonfundamente nur unvollständig entfernt, grün: vollständige Entfernung, grau: keine Angabe. Die Landkreise Wittmund und Aurich werden jedoch in der Karte „grün“ dargestellt, also „keine Fundamente im Boden“, eine eindeutig falsche Berichterstattung.
Der NDR-Redaktion lag zudem ein Vermerk deas Baumamtsleiters Hillie vor, zuständig für die Windpark-Genehmigungen im Landkreis vor (Hillie wohnt in Friedeburg und fährt neben seinen Familienautos noch zwei Porsche,Stand 2023, vermutlich hat er geerbt oder im Lotto gewonnen, oder?)
Auszug aus dem Vermerk:
„Bauamt
60/1
Wittmund, den 14.03.2012
Rückbau von Windenergieanlagen
Vermerk:
[…]
Soweit keine verbindlichen rechtlichen Vorgaben bestehen, müssen die zu treffenden Regelungen zwischen fachlichen Notwendigkeiten und Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen abgestimmt werden. Der Ansatz liegt hier bei 1 -1,50 m unter Geländeoberkante (GOK). Ein solcher Rückbau lässt wieder eine „durchwurzelbare Bodenschicht“ (= Bodenschutz) entstehen und minimiert die Auswirkungen der Versiegelung auf ein vertretbares Maß (= Naturschutz). Seit neuestem gibt es hierzu auch eine Empfehlung des MU, der eine Beseitigung zwischen 1,50 – 2,00 m unter GOK empfiehlt. Hieran werden wir uns künftig auch orientieren. […]“

Windpark Utgast: abgängige Tacke TW-600 – Foto: Manfred Knake
Doch, die “verbindlichen rechtlichen Vorgaben” gab es, mindestens seit 2005 durch den Verwaltungsgerichtshof in Hessen.
Es gäbe also noch viel zu recherchieren, denn nichts ist so, wie es scheint, nur hat damals und auch nicht heute irgendeine Lokalredaktion zum Verbleib des ostfriesischen Windkraftschrotts recherchiert. In wie vielen Landkreisen in Deutschland weiß man nicht, wohin der mit Kunstofffasern, Schmierfett und Altöl belastete Windkraftmüll schließlich “aus den Augen, aus dem Sinn” entsorgt wurde?