Das Silvester-Karbidschießen an den EU-Vogelschutzgebieten am Deich bei Pogum im Landkreis Leer wird derzeit von der Polizeiinspektion Emden-Leer untersucht, „es laufen Befragungen und Zeugen werden gehört, mehrere Ordnungswidrigkeitsverfahren seien eingeleitet“, berichtete die Rheiderland Zeitung aus Weener am 21. Januar 2019. Weiter: „Grundsätzlich untersucht die Polizei, wie das Karbidschießen rechtlich einzuordnen ist. Unklar ist es, ob es unter das Sprengstoff- oder Waffengesetz fällt. ´Wir klären das intern noch – auch, um für die Zukunft eine Rechtsgrundlage zu haben`, kündigte die Polizeisprecherin an“. Der Wattenrat hat inzwischen weitere Fotos von einem Karbidrohr, das in der Nähe in einem Schilfgebiet entsorgt wurde, geliefert.
Nach Angaben der Zeitung soll laut Einschätzung der Polizeisprecherin das Rohr aber schon längere Zeit im Schilf gelegen haben. Sehr lange kann das aber nicht gewesen sein. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass das im Schilf deponierte Metallrohr identisch mit einem der beiden Karbidkanonen ist, das an Silvester 2018 direkt an den EU-Vogelschutzgebieten von Ems und Dollart abgefeuert wurde. Das belegen die Fotovergleiche zwischen dem Karbid“geschütz“ am Deich bei Pogum und dem im Schilf deponierten Metallrohr. Das Rohr wurde als offensichtlich nach dem Karbidschießen am Deich im Schilf abgelegt. Diese Fotos wurden auch der Polizei zur Verfügung gestellt.
Deutlich wird das u.a. an einer Metallöse oben auf dem Rohr, (roter Pfeil), der auffällige weiße Streifen auf dem Rohr ist auch identisch mit dem Rohr vom Karbidschießen am Deich.
In der Rohrmündung befindet sich relativ frischer weißer Karbidschlamm, noch nicht verwittert. Der Schlamm roch noch intensiv nach Karbid.
Auch die Lage des Zündloches ist identisch; die Schmauchspuren der Gasflamme, die das Acetylengas zur Entzündung brachten, sind ebenfalls zu erkennen. Die „Lafette“, also das Fahrwerk des „Geschützes“, ist identisch mit der Karbidkanone an den Vogelschutzgebieten: Gummibereifung.
Ob das Karbidschießen mit solchen Kalibern in Ostfriesland überhaupt eine „Tradition“ besitzt oder als „Brauchtum“ gilt, ist fraglich. Der Brauch, mit wesentlich kleineren Molkereimilchkannen zu Silvester Karbidschießen zu veranstalten, soll so neu gar nicht sei. Nach dem 2. Weltkrieg, als die Silvesterböller rar waren, soll das Schießen aus Milchkannen begonnen haben. Die großen „Kaliber“ hat man sich dann in den Niederlanden abgeschaut. Dort werden sogar umgebaute Gülleanhänger zu Karbidkanonen umgebaut. Falls dieses „Brauchtum“ von Bauern in Deichnähe oder an bekannten Gänserastplätzen gepflegt werden sollte, könnte man auch vermuten, dass es um die gezielte Vertreibung der arktischen Gastvögel aus ihren Schutzgebieten geht. Das wäre dann aber keine Ordnungswidrigkeit mehr.
Dass die Vermutungen begründet sind, belegen Berichte in der Lokalpresse:
* Landwirt B. aus Oldendorp schlug vor, „die Gänse Ende März in einer konzertierten Aktion zu vertreiben.“ (Ostfriesen Zeitung vom 27.August 2015)
* Landwirt Albert A., Bunderhammrich, schlug vor, „Gänse wieder an das natürliche Zugverhalten zu gewöhnen“. (Rheiderland Zeitung, Weener, 07. April 2017)
Pressemeldungen dieser Art sind beim Wattenrat archiviert.