Emsschlick aus der Flussvertiefung, aufgebracht auf die geschützten Salzwiesen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer? Diese Nummer hatten wir schon einmal auf dem Schirm: Eigentlich war die Sache schon 2009 durch den damaligen niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) „aus Naturschutzgründen nicht genehmigungsfähig“ vom Tisch: Vor neun Jahren, im Februar 2010, berichteten wir von einem FDP-Politiker aus Emden (Erich Bolinius) und einem Deichrichter und Landwirt aus dem Rheiderland (Meint Hensmann), die trotz Einstellung des Projektes 2009 durch das Niedersächsische Umweltministerium weiterbohrten, das geschützte Deichvorland im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zwischen Pogum und Dyksterhusen, Gemeinde Jemgum, mit Emsschlick aufzuspülen, aus „Küstenschutzgründen“, selbstverständlich, das verfängt in Ostfriesland immer wenn alles andere versagen sollte. Die Salzwiesen des Deichvorlandes sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz aber „geschützte Biotope“.
Der Emsschlick ist das hausgemachte Problem aus der ständigen Vertiefung des Flusses, überwiegend für die riesigen Musikdampfer der Meyer Werft im binnenländischen Papenburg. Diese Vergnügungsdampfer, vulgo Kreuzfahrtschiffe, werden an einem engen Fluss gebaut und bei Fertigstellung mit Hilfe von Schleppern ans seeschifftiefe Wasser geschleppt. Zurück in die Werft können die Riesendampfer nie mehr kommen. Dafür baut die Meyer Werft flachgehende Flusskreuzfahrtschiffe in Rostock-Warnemünde an der Ostsee, darauf muss man erst mal kommen. Der ständig ausgebaggerte Emsschlick gelangt durch durch die Strömung irgendwann immer wieder zurück ins System, ständig muss die Ems daher auf Tiefe gehalten werden. Der Fluss ist durch den Schlickanfall und die Sauerstoffzehrung praktisch tot, ein „Meyer Kanal“ eben. Dazu kommt die enorme Zunahme der Fließgeschwindigkeit der Ems durch das ständige Baggern. Auch das 2002 fertiggestellte Emsstauwerk bei Gandersum, das den Flusspegel bei Schiffsüberführungen noch weiter anheben soll, konnte den Schlick nicht bremsen. Damit die EU den Eingriff durch das Stauwerk in dieses europäische Vogelschutzgebiet schluckte, wurde das Stauwerk in ein „Sperrwerk“ umdeklariert, wiederum für den „Küstenschutz“.
Auch wenn Meint Hensmanns Überlegungen der Schlickaufspülungen in die Schutzgebiete schon 2009 keinen Erfolg hatte: Der rührige Oberdeichrichter mit seinen Gesinnungsgenossen, diesmal aus den Niederlanden, bohrt weiter beharrlich weiter. Als rot-grün von 2013 bis 2017 in Niedersachsen regierte, hörte man nichts mehr von einer Schlickaufspülung in Schutzgebiete. Nun, da everybody´s darling Olaf Lies (SPD) niedersächsischer Umweltminister ist, mit dem offensichtlich vieles geht, erlebt das Stück „Schlickverklappung in Schutzgebiete“ seine Neuaufführung. „Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie erarbeitet. ´Man ist dabei,mögliche Schlickentnahmepunkte und mögliche Flächen zum Aufbringen des Schlicks festzulegen´, teilte Justina Lethen, Pressesprecherin im Niedersächsischen Umweltministerium, auf Nachfrage der Ostfriesen Zeitung in Leer mit, die Machbarkeitsstudie läuft bis zum Frühjahr 2020“ (Ostfriesen Zeitung, 15.Februar 2019, Emsschlick als Dünger und Kleivorrat). Vorher müsse der Schlick aber noch auf mögliche Belastungen überprüft werden, so die Ministeriumssprecherin weiter. Die Proben müssen laut Zeitungsbericht nach Bodenschutz-, Dünge- und Abfallrecht beurteilt werden.
Pilotprojekt und „Klimaschutz“
Die Maßnahme wird der Öffentlichkeit nun als „grenzüberschreitendes Pilotprojekt“ verkauft. Alternativ könnt man den Schlick statt in die Schutzgebiete auch auf die binnendeichs gelegenen landwirtschaftlichen Flächen aufbringen, als „Dünger“ sozusagen, wenn der Schlick nicht belastet ist. Aber davon ist eigentlich kaum auszugehen, die Landwirte würden sich vehement dagegen sperren. Naturschutzgebiete sind dagegen geduldig.
Und es wird noch besser. Was wäre eine naturzerstörende Maßnahme ohne das zeitgeistige Trommeldauerfeuer „Klimaschutz“ und „CO2“ als ultimative Begründung? Um die Jemgumer Ratsmitglieder auf das Prokekt einzustimmen, schickte das Umweltministerium Ralf Kaiser in die Küstenprovinz. Nein, nicht den Herrn Kaiser aus der Fernsehwerbung, der früher im Fernsehen Versicherungen verkaufte. In der Ostfriesen Zeitung vom 20. Februar 2019 las man dann dies: „Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, sollen die Salzwiesen im Vorland durch Auftrag von Schlick erhöht und so dem Anstieg des Meeresspiegels angepasst werden. Positiver Effekt: ´Durch breite Deichvorlandflächen treffen die Wassermassen im Falle einer Sturmflut mit abgeschwächter Energie auf die Deiche. Der Schutz vor Sturmfluten wird somit deutlich verbessert. Gleichzeitig wirkt der Schlick wie eine Art Dünger.´ Durch breitere Vorlandflächen werde zudem eine Versalzung verhindert, weil Salzwasser nicht mehr unter den Deichen hindurch fließen könne. Durch die Stärkung des Salzwiesenvorlands entstehe gleichzeitig unter der Oberfläche ein wertvoller CO2-Speicher.“ Man hat also die Schreckensvokabeln gut gelernt und vorgetragen. Ob die Ratsmitglieder dabei gezittert haben, ist nicht bekannt.
Düngung und Meeresspiegelanstieg
Das Düngen von Salzwiesen? Damit würde gezielt die Pflanzenzusammensetzung der geschützten Halophyten und die darauf spezialisierten Insekten negativ verändert werden, in ihrem Schutzgebiet.
Meeresspiegelanstieg? Der steigt seit dem Ende der letzten Weichsel-Kaltzeit an, mal mehr, mal weniger, Transgression oder Regression nennt der Fachmann das, mit derzeit 1,7mm im Jahr oder 17cm im Jahrhundert, so die Untersuchungen der Universität Siegen. Der Meeresspiegel steigt entgegen anderslautender alarmistischer und immer wieder gerne genommener Verlautbarungen noch nicht einmal dramatisch an, sagen jedenfalls die Pegel in Norderney und Cuxhaven. Es werden also Gründe für die hoffentlich wachsame EU-Kommission an den Haaren herbeigezogen, um das menschengemachte Schlickproblem der Ems zu Lasten des Naturschutzes in einem Nationalpark, „Weltnaturerbe“, Natura-2000-Gebiet, Biosphärenreservat und Feuchtgebiet internationaler Bedeutung -vermeintlich – in den Griff zu bekommen.
Mal so, mal so
Wie es gerade passt, wurde von Küstenschützern des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auch schon mal gefordert, Kleiboden für den Deichbau aus den geschützten Salzwiesen zu entnehmen, also genau das Gegenteil von den Aufspülungen in die Salzwiesen. Damit entfiele der lästige Streit mit Landwirten, die sonst dafür Boden zur Verfügung stellen müssten. Alternativ könnte neuer Kleiboden auch aus landeseigenen domänenfiskalischen Flächen im Binnenland gewonnen werden. Dadurch könnten sogar neue Feuchtgebiete entstehen.
Und die 15 „anerkannten“ Naturschutzverbände von BUND und NABU in Niedersachsen, was sagen die dazu? Bisher hörte man nichts. Die haben sich durch ihren Kungeleien mit der Meyer Werft bei Schiffsüberführungen (Generationenvertrag, oder Stillhalteabkommen, bei dem viel Geld floss) an der Küste keinen guten Namen gemacht. Man darf gespannt sein, ob einer der Verbände bei der Durchführung des „Pilotprojektes“ zu Lasten der geschützten Salzwiesen den Rechtsweg beschreiten wird. Von der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven, die an der kurzen Leine des Umweltministeriums läuft, war auch nichts zum Emsschlick zu hören. Dort wird gerade mal wieder „zugepackt“, „nachhaltig“ sogar, mit „Inspiration durch Austausch“, das übliche Nationalpark-Pressegeschwurbel mit leerer Naturschutzprosa aus Wilhelmshaven, aus dem der fachliche Naturschutz nur selten herauszuhören ist. Naturschutz in Niedersachsen eben.