Kornweihe kurz vor dem Aus, im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer

Kornweihe, männlich (Circus cyaneus) – Foto: Wikipedia

Die Kornweihe ist ein Greifvogel, der in Deutschland kurz vor dem Aussterben steht. Nein, nicht das immer wieder bemühte „Klima“, sondern die Zerstörung der natürlichen Lebensumwelt ist die Ursache für das langsame Verschwinden dieser Art. Als Bodenbrüter leidet dieser Vogel besonders unter der Intensivierung der Landwirtschaft, Rückzugsgebiete waren daher Moore oder die Dünenlandschaften der Inseln. Aber auch auf den Inseln, im Großschutzgebiet Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, europäisches Vogelschutzgebiet und „Weltnaturerbe“, schwindet die Art dramatisch. Bereits 2013 legte die Nationalparkverwaltung ein auf vier Jahre befristetes Schutzprogramm auf, vergeblich. Jetzt, 2019, kam die Ernüchterung: In einer Pressemitteilung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zusammen mit der Nationalparkverwaltung (Pressemitteilung ganz unten) und deren Leiter Peter Südbeck wird erneut der dramatische Rückgang der Kornweihe auf den Ostfriesischen Inseln beklagt, „trotz optimaler Brut- und Nahrungsbedingungen – Die Ursachen des Rückgangs wurden nicht untersucht“.

Die hausgemachten Ursachen liegen jedoch nahe, werden aber nicht genannt. Es wird dieser Eindruck erweckt: „Das bestehende Schutzkonzept im Nationalpark sowie kurzfristige Maßnahmen wie Wegesperrungen zum Schutz von Nistplätzen sichern die Brut- und Nahrungslebensräume der Kornweihen in hohem Maße.“ Fakt ist jedoch: Durch die millionenfachen Übernachtung und dem Heer von Tagestouristen gelingt es selbst den 11 hauptamtlichen Rangern (die über keine hoheitlichen Befugnisse verfügen!) im gesamten Nationalpark von 3.500 qkm Gesamtfläche nicht annähernd, Störungen von Tierarten fernzuhalten, nicht nur auf den Inseln. Freilaufende Hunde, Geocacher, Lenkdrachen- oder Drohnenflieger, das Ignorieren von Hinweisschildern oder Absperrungen sind Alltag im Nationalpark. Dazu kommen die ortsfremden Fressfeinde der Bodenbrüter wie streunende Hauskatzen oder entlaufene Frettchen der Freizeitjäger, die eigentlich in den isolierten Lebensräumen wie den Inseln nicht geduldet werden dürfen.

Nationalparkleiter Peter Südbeck – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

 

 

Die Nationalparkverwaltung ist selbst stark an der Bewerbung des Großschutzgebietes für den vorgeblichen nun „nachhaltigen Tourismus“ beteiligt- von dem Begriff „sanft“ hat man sich wohl inzwischen verabschiedet. Die Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg registrierte in ihren Veröffentlichungen „nach Angaben der Kurverwaltungen“ alleine für die Ostfriesischen Inseln (ohne die Küstenbadeorte!) die Übernachtungszahlen von 10.917.247 (2017, ein nasser Sommer), siehe pdf: IHK_2017_Tourismus_auf_den_Ostfriesischen_Inseln
Auf den Inseln haben die Strandbrüter wie Zwergseeschwalbe, See- oder Sandregenpfeifer auch kaum noch Überlebenschancen durch den Massentourismus, deren Bruterfolge gehen ebenfalls dramatisch zurück. Nur ganz selten dringt etwas von diesem desolaten Zuständen nach außen, wie z.B. hier: Langeoog: Aktuelles von der Naturschutzfront – Brutvogelvertreibungen und Eiersammler

Die vom Tourismus lebenden Inselkommunen wollen aber noch mehr Nutzung und keine weiteren „Einschränkungen“ durch das Nationalparkgesetz hinnehmen. Umweltminister Olaf Lies (SPD, auch im Kuratorium der DBU) zeigte bei einem Treffen in Hannover am 06. Februar 2019 „Verständnis“ dafür.

13. Mai 2018, Borkum, Südstrand, strengste Schutzzone im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (Ruhezone, Zone I): Ignoranz trifft Strandbrüterschutz, zwei Brutpaare Zwergseeschwalben“erfolgreich“ vertrieben. Foto (C): Eilert Voß

Die Kornweihen fliegen von den Inseln auch über das Watt auf das Festland zur Nahrungssuche. Dort erwarten sie Intensivlandwirtschaft und gefährliche Propellerwälder der Windkraftanlagen. Suchflüge durch die Rotoren sind für die Weihen wie Russisches Roulette. Auch die mit der Kornweihe verwandte Wiesenweihe ist Opfer der Intensivlandwirtschaft und der Windenergie. Diese Greifvogelart ist ebenfalls stark gefährdet, genau wie der Rotmilan. Der bisherige Allerweltsvogel Mäusebussard wird das nächste Opfer des massiven Windenergieausbaus „ohne Rücksicht auf Verluste“ werden. Genau diese mit Windparks vollgestellten und intensiv genutzten Flächen, die an den Nationalpark anschließen, sollen nun auch noch „Biosphärenreservat“ werden, noch ein werbewirksames Etikett auf einer längst kaputten Landschaft.

Blick aus dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer auf das Festland im LK Aurich – Foto (C): Manfred Knake

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die sich aktuell für Kornweihen einsetzt, unterstützt aber genau den Windkraftausbau, der für viele Vogel- und Fledermausarten tödlich ist: Im Kuratorium sitzen Politiker, die das Gegenteil von Artenschutz betreiben. In bekannter Manier werden nun „internationale Bemühungen“ zum Schutz der Greifvögel angemahnt, das Problem also auf die höhere Ebene verlagert, ohne aber die hausgemachten Probleme zu benennen oder „nachhaltig“ etwas vor der Haustür nicht nur zum Schutz der Kornweihe zu tun. Das Aussterben der Kornweihe ist nur ein Symptom der desolaten Naturschutzpolitik in Deutschland: „Global reden, banal denken und fatal handeln“.

Schutzdünen auf Langeoog, April 2015, Foto (C): Manfred Knake

Langeoog: „ungestörte Dünenlandschaften“ auf den Inseln? – Foto (C): Manfred Knake

aktualisiert 06. März 2019

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Pressemitteilung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

01.03.2019 | Schutz in der Brutzeit reicht nicht: Kornweihen im Wattenmeer vor dem Aus?

DBU: Internationale Zusammenarbeit beim Kornweihenschutz dringend notwendig

Die scharfsichtigen Mäusejäger könnten trotz bester Brutbedingungen auf den Wattenmeerinseln bald nicht mehr dort vorkommen. Das Männchen (Bild) versorgt während der Brut Weibchen und Jungvögel und erbeutet im Schutzgebiet ausreichend Wühlmäuse sowie andere kleine Säugetiere und Vögel.

Wilhelmshaven. Trotz optimaler Brut- und Nahrungsbedingungen droht der Brutbestand der Kornweihe, einer seltenen Greifvogelart, auf den niedersächsischen Wattenmeerinseln zu erlöschen. Dies könnte zur Folge haben, dass in naher Zukunft deutschlandweit keine Kornweihen mehr brüten, da die Art in Deutschland auf den Wattenmeerinseln – noch – ihren Verbreitungsschwerpunkt hat. Der Rückgang betrifft nicht nur das niedersächsische Wattenmeer, sondern auch die Westfriesischen Inseln der Niederlande. Zu diesem Ergebnis kommt eine zum Internationalen Tag des Artenschutzes am 3. März veröffentlichte Langzeitstudie der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, die in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer (Wilhelmshaven) durchgeführt wurde. Die Ursachen des Rückgangs wurden nicht untersucht. Da Kornweihen zu den Zugvögeln zählen, müsse international
– also auch entlang der Zugrouten und den Rast- und Überwinterungsgebieten – nach den Gründen geforscht werden.

Scharfsichtigen Mäusejägern fehlt es im Nationalpark an nichts

„Natur- und Artenschutz kann nicht an Ländergrenzen haltmachen. International erarbeitete Lösungskonzepte sind bei selten gewordenen Zugvogelarten dringend notwendig“, sagt Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die das Projekt seit 2013 fachlich und finanziell unterstützte. Die Studie leistet einen Beitrag für die internationale Kooperation beim Kornweihenschutz. „Seit Anfang der 2000er Jahre ist der Brutbestand von Kornweihen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer massiv eingebrochen und steht jetzt vor dem Erlöschen“, sagt Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung. Das sei alarmierend, weil die Greifvogelart in Deutschland und den Niederlanden fast nur noch in den weitläufigen, weitgehend ungestörten Dünenlandschaften der Wattenmeer-Inseln regelmäßig brüte. Mit dem Erlöschen würde der Nationalpark eine Brutvogelart verlieren, für die er eine hohe Verantwortung besitzt. Positiv sei, dass anhand der Langzeitstudie habe nachgewiesen werden können, dass es den scharfsichtigen Mäusejägern im Nationalpark für eine erfolgreiche Brut an nichts fehle. „Das Angebot an Wühlmäusen – ihrer Hauptbeute für die Aufzucht der Jungen – hat sich nicht wesentlich verändert“, erläutert Nadine Knipping von der Universität Oldenburg. Außerdem seien die Greifvögel, bei denen das Männchen Weibchen und Jungvögel während der Brut versorge, recht flexibel und würden auch andere kleine Säugetiere und Vögel erbeuten. Knipping: „Mit ein bis zwei flüggen Jungvögeln pro Brut erreicht die Greifvogelart im Nationalpark einen vergleichsweise hohen Fortpflanzungserfolg, der seit 2009 stabil ist.“ Dieser könne den festzustellenden Rückgang aber nicht ausgleichen.

Artenschutz ist Lebensraumschutz zum Nutzen vieler anderer Tier- und Pflanzenarten

Knipping verweist auf ein zweites Ergebnis der Studie: „Das bestehende Schutzkonzept im Nationalpark sowie kurzfristige Maßnahmen wie Wegesperrungen zum Schutz von Nistplätzen sichern die Brut- und Nahrungslebensräume der Kornweihen in hohem Maße.“ Dass Artenschutz eng mit dem Schutz der Lebensräume zusammenhänge, sei zwar keine neue Erkenntnis, könne aber an diesem Beispiel sehr deutlich gemacht werden. „Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Kornweihen vor allem in Norddeutschland ein verbreiteter, wenn auch nicht häufiger Brutvogel der ausgedehnten Moor- und Heidelandschaften“, so Knipping. Doch diese Lebensräume seien weitgehend zerstört. Die Gebiete wurden in Ackerland umgewandelt. Zudem habe sich die landwirtschaftliche Nutzung seither deutlich gewandelt. Die schlanken Greife würden heute nur noch unter strengsten Nationalpark-Bedingungen gute Fortpflanzungsmöglichkeiten finden. Auch andere gefährdete Tier- und Pflanzenarten würden von den Schutzbemühungen rund um die Kornweihen sehr stark profitieren.

Auf internationaler Ebene Gegenmaßnahmen ergreifen

„Umso bedauerlicher ist es, wenn im Frühjahr immer weniger zu uns zurückkommen“, so Nationalparkleiter Südbeck. „Entscheidend für das Vorkommen der Kornweihen im Wattenmeer ist ihr Überleben außerhalb der Brutzeit.“ Seit Ende der 90-er Jahre sei die jährliche Überlebensrate der Wattenmeer-Kornweihen deutlich gesunken. Derzeit gebe es zu den Ursachen nur Vermutungen. Anzunehmen sei etwa, dass im Verbreitungsgebiet der Kornweihe der Lebensraumverlust weiter anhalte. Kornweihen seien auf störungsarme, extensiv genutzte und nahrungsreiche Flächen angewiesen. Diese würden zugunsten von Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie einer intensivierten Landnutzung immer weniger werden. Knipping: „Letztlich gilt es, die Ursachen des Bestandsrückgangs schnell zu ermitteln, um auf internationaler Ebene Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.“ Bei einem Kornweihen-Experten-Gesprächskreis im März wolle sie sich mit den Studienergebnissen für den gesamteuropäischen Kornweihenschutz einsetzen.

Umfangreiches Forschungsprojekt von 2009 bis 2019

Vor dem Hintergrund der nationalen Verantwortung für den Schutz und Erhalt der Kornweihen wurde ab 2009 das umfangreiche Forschungsprojekt in der Arbeitsgruppe Landschaftsökologie der Universität Oldenburg initiiert und in Kooperation mit dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und niederländischen Forscherkollegen durchgeführt. Neben der DBU förderten die Niedersächsische Ornithologische Vereinigung und die Niedersächsische Wattenmeerstiftung das Vorhaben. Der Abschlussbericht steht zum Download zur Verfügung:
https://www.dbu.de/projekt_30347/01_db_2848.html.

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