Am 12. Mai 2019 wurde das neue Kreuzfahrtschiff „Spirit of Discovery“ der Meyer Werft im binnenländischen Papenburg aus dem Baudock geschleppt. In der Nacht vom 26. auf den 27. Mai wurde das Schiff über die enge Ems an das seeschifftiefe Wasser der Nordsee überführt. Dafür musste die Ems mit dem Ems-Stauwerk, genannt Ems-Sperrwerk, aufgestaut werden, damit das Schiff genug Wasser unter dem Kiel hatte. Für die Überführungen der Kreuzfahrtschiffe der Meyer Werft darf die Ems zukünftig im Sommer höher als bisher aufgestaut werden.
Der bisher geltende Planfeststellungsbeschluss wurde für die Meyer Werft vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (!) geändert. Von Mitte Juni bis Mitte September ist nun eine Höhe von 1,90 Metern für maximal zwölf Stunden Stauzeit erlaubt. Bisher waren in dieser Zeit nur 1,75 Meter erlaubt. Im Winterhalbjahr liegt die Stauhöhe weiterhin bei 2,70 Metern. Zusätzlich muss die Ems ausgebaggert werden, um sie auf Tiefe zu halten. Der Schiffbau im binnenländischen Papenburg kann nur mit ständiger Ems-Baggerei funktionieren, sonst kämen die großen Schiffe der Meyer Werft nie an das seeschifftiefe Wasser der Nordsee; das bezahlt der Steuerzahler. Dazu werden Baggerschiffe benutzt. Durch die Baggerei wird Sediment aufgewirbelt, was zu Trübungen und Sauerstoffzehrungen im Wasser führt. Die Wasserqualität der Ems ist katastrophal. In den Medien wird bei den Schiffsüberführungen der Meyer Werft überwiegend „im Gleichschritt“ über das Faszinosum der Kreuzfahrschiffe und die gelungenen Überführungen der Schiffe an die Küste berichtet. Die Auswirkungen auf den Fluss und die Tierwelt kommen in der Berichterstattung kaum noch vor. Auch den vielen Schaulustigen, die dann mit ihren PKW und Wohnmobilen die schmalen Straßen verstopfen, sind diese Probleme kaum bekannt, es zählt nur das Spektakel der Riesenschiffe.
Die geänderte Stauhöhe kann Folgen in diesem EU-Vogelschutzgebiet haben. Bei früheren Sommerstaus zur Schiffsüberführung ertranken flugunfähige Jungvögel oder Gelege am Ufer der Ems, weil mit Hilfe des Gandersumer Stauwehrs Salzwasser zugepumpt wurde. Das war diesmal bei der Überführung der „Spirit of Discovery“ augenscheinlich nicht der Fall. Dieses Kreuzfahrtschiff ist deutlich kleiner und hat einen geringeren Tiefgang als die vorherigen Musikdampfer. Dennoch sind sommerliche Schiffsüberführungen für die Wasserqualität der Ems und viele Bodenbrüter der europarechtlich geschützten Emsvorländer hochproblematisch. Das ist nur in Ausnahmefällen vertretbar, wenn bei zeitlich begrenzten Schließungen mit dem Stauwerk ausgeschlossen werden kann, dass durch Zupumpen der Wasserstand der letzten Tide (vor der Schließung des Gandersumer-Wehrs) nicht zusätzlich erhöht wird. Behörden und Politik sind gefordert, der Meyer Werft zu signalisieren, dass das tägliche Tidegeschehen unter dem Einfluss der Mond und Windphasen in der Sommerzeit gleichzeitig auch das „Ende der Fahnenstange“ für den Papenburger Schiffbau in dieser Größenordnung bedeutet und willkürlich herbei geführte Überflutungen geschützter Restbiotope zur Brutzeit rechtswidrig sind.
Nachtrag 29. Mai 2019:
Bagger ebneten den Weg nach Emden ans seeschifftiefe Wasser: Das neue Meyer-Schiff „Spirit of Discovery“ liegt nun für die Endausrüstung am ehemaligen Emder Marinekai, direkt am tiefen Fahrwasser der Ems, das in die Nordsee führt. Hier wäre der eigentlich ideale Standort für die Meyer Werft, um ihre riesigen Kreuzfahrtschiffe zu bauen. Damit könnte die marode Ems wieder genesen. Die flachgehenden Flusskreuzfahrtschiffe werden auf der Meyer-eigenen Neptun-Werft in Rostock-Warnemünde gebaut, am seeschifftiefen Wasser…