Die sog. „Feuershow“ in Bensersiel/Stadt Esens am 30. Dez. 2022 hatte ein Pressenachspiel in der Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ aus Wittmund. Die Zeitung berichtete über die Kritik an dieser Show, die von einer Facebook-Posterin kam, weil die Veranstaltung zu dicht am „Weltnaturerbe“ Wattenmeer stattfand. Der Veranstalter „Bensersiel aktiv e.V.“ hatte bei Facebook angekündigt, mit Rücksicht auf die Tiere des nahe gelegenen Nationalparks Wattenmeer auf ein Silvesterfeuerwerk mit Böllern zu verzichten und stattdessen diese angeblich „kleine Pyroshow“ am Tag vor Silvester abzubrennen.
Der Vereinsvorsitzende Udo Folkerts bestätigte die vorgebrachte Kritik und entschuldigte sich in der Zeitung dafür, „dass die Show Menschen verärgert…Das ist uns nicht egal. Wir werden nun überlegen, nächstes Mal etwas anderes zu machen“. Nur: Der Wattenrat hat seit Jahren öffentlich in derselben Zeitung auf die Stress-Belastungen der winterlichen Rastvögel im angrenzenden Nationalpark Wattenmeer, EU-Vogelschutzgebiet und „Weltnaturerbe“ durch Feuerwerke, auch in Bensersiel, hingewiesen, dem Vereinsvorsitzenden waren daher die Störungen der Tiere im Schutzgebiet bekannt. Die Pressemitteilung des Wattenrats an die Zeitung mit der Kritik an der Feuershow fiel unter den Redaktionstisch, stattdessen rief eine Redakteurin im Wattenrat-Büro an und erkundigte sich nach den Details der Kritik an der Feuershow. Auch danach erschien nur ein Archivfoto des Wattenrates von ungestörten Vögeln im Watt mit einer ausführlichen Stellungnahme der Pressesprecherin der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven, die u.a. das von sich gab: „Es ist klar, dass kein Feuerwerk das beste Feuerwerk ist. Aber wenn ich mich entscheiden müsste zwischen einer Veranstaltung, die von Profis kontrolliert wird, nur an einem Ort stattfindet sowie nur für eine kurze Zeitdauer ist und einem herkömmlichen Silvester, bei dem Privatpersonen örtlich unbegrenzt und zeitlich unkontrolliert knallen, dann wäre ersteres definitiv weniger schädlich als letzteres.“ Sie wusste offensichtlich nichts von den tatsächlichen Ausmaßen dieser Show. Nein, sie musste sich auch nicht „entscheiden“. Es ist sicherlich nicht die Aufgabe einer Mitarbeiterin der Nationalparkbehörde, Relativierendes zu Feuerwerken oder ähnlichen Veranstaltungen in der Nähe des Schutzgebietes abzugeben. Eine klares „Nein“ zu Störungen aller Art wäre sicherlich angemessener gewesen.
Der Landkreis Wittmund antwortete auf Wattenrat-Anfrage: „In der Abteilung Umwelt des Landkreises Wittmund herrschte es im Vorfeld keine Kenntnis über diese Veranstaltung. Demnach hat es weder einen Antrag noch eine Anzeige für die ´Feuershow´ in Bensersiel am 30.12.2022 gegeben. Das Abbrennen von Feuerwerken unterliegt den Regelungen der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1.SprengV). Demnach bedürfen Feuerwerke keiner Genehmigung, sondern unterliegen einer Anzeigepflicht bei der zuständigen Behörde (§ 23 Absatz 3 1.SprengV). Dies gilt insbesondere für den Zeitraum vom 02.01. bis 30.12. eines jeden Jahres für Inhaber einer gültigen Sprengstofferlaubnis. Zuständige Behörde ist hier nach Ziffer 7.2.2 der ´Anlage 1 der Zuständigkeitsverordnung Umwelt-Arbeitsschutz´die jeweilige örtliche Gemeinde.“
Das war Anlass für den Wattenrat, beim Stadtdirektor der zuständigen Stadt Esens nachzufragen. Hier auszugsweise seine Antwort: „Die Samtgemeinde Esens als zuständige Ordnungsbehörde erhielt von einem zugelassenen Pyrotechniker im Rahmen der gesetzlichen Frist eine Anzeige für das Abbrennen einer´Feuershow´am 30.12.22 um 19.00 Uhr. Anlass war die Winterveranstaltung des Vereins Bensersiel aktiv´. Der Tourismusbetrieb Esens-Bensersiel trat hier nicht als Veranstalter auf. Die Feuershow sollte in Bensersiel an der Deichbrücke in der Ortsmitte (also Bgm.-Rieken-Platz) stattfinden. Einzelne Effekte waren mit einer max. Steighöhe von 5 Metern angegeben. Die Show sollte nur von kurzer Dauer sein (wenige Minuten). Als zuständige Ordnungsbehörde hat die Samtgemeinde Esens diese Anzeige pflichtgemäß entgegengenommen. Aus reinen Sicherheitsaspekten war die vom Pyrotechniker aufgegebene Anzeige ordnungsbehördlich nicht zu beanstanden. Aufgrund der geringen Steighöhe, der zahlenmäßig sehr überschaubaren Effekte und der kurzen Dauer wurden negative Auswirkungen auf den mehrere hundert Meter entfernten Nationalpark nicht gesehen.“
Tatsächlich überstiegen aber die Raketen bei weitem die angegebene Steighöhe „von 5 Metern“, wie die bei Facebook geposteten Fotos belegen und wirkten damit weit in den Nationalpark hinein. Südlich des Ortes Bensersiel schließt unmittelbar das europäische Vogelschutzgebiet V63, „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ an, bundesweit bekannt geworden durch die Berichterstattung über die illegal gebaute Umgehungsstraße Bensersiel im Schutzgebiet.
Ob die Feuershow dann auch tatsächlich nur auf dem Bürgermeister-Rieken-Platz in Bensersiel stattfand, wird von Ortskundigen bezweifelt. Die Fotos legen nahe, dass auch im Hafenbereich, also direkt am Nationalpark Wattenmeer, gezündet würde.
Der Zeitung liegt der Mailwechsel vor. Auf schriftliche Anfrage des Wattenrates an die Redaktion, ob sie diese sich widersprechenden Details veröffentlichen würden, gab es keine Antwort – nicht zum ersten Mal, dass Anfragen von der neuen Redaktionsleitung nicht beantwortet wurden.
Es ist beschämend für die Veranstalter, dass sie nach fast 37 Jahren des Bestehens des Großschutzgebietes „Nationalpark Wattenmeer“ zwar inzwischen zur Kenntnis genommen haben, dass in ihrem Lebensumfeld auch streng geschützte Vögel ihren Lebenraum haben, Rastvögel, die auf Ruheflächen und Flächen für die Nahrungsaufnahme für die langen Zugwege von der und in die Arktis angewiesen sind. Dennoch werden diese störintensiven und vertreibenden Bespaßungsaktionen für Einheimische und Touristen immer wieder durchgeführt. Diese Veranstaltungen kollidieren seit Jahren mit dem Naturschutzrecht, das die mutwillige Beunruhigung von wildlebenden Tieren unter Strafe stellt. Wie brachte es ein kritischer Facebook-Kommentar auf den Punkt: „Wir leben nicht alleine auf der Welt“.
Nachtrag:
In Norddeich/LK Aurich fiel die „Open Air Silvesterparty am Meer“ 2022 am Strand vermutlich wegen des schlechten Wetters aus:
Der frühere Kurdirektor Norddeichs, Armin Korok, wurde gar als „Nationalparkpartner“ ausgezeichnet, den hatten wir schon 2016 auf dem Schirm:
https://www.wattenrat.de/2016/03/09/neuer-zuendender-nationalparkpartner/
Wattenrat-Link: Auswirkungen von Feuerwerk auf wildlebende Gänse: Studie des Max-Planck-Instituts