Offshore-Leitungsanbindung in der Samtgemeinde Esens: Verwaltung fordert „Nachteilausgleich“ – und entdeckt das EU-Vogelschutzgebiet

Teilansicht des EU-Vogelschutzgebietes V63 westlich von Neuharlingersiel. Hier sollen Offshore-Leitungen angelandet werden. – Foto: Manfred Knake

Am 01. März 2025 berichtete die Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ aus Wittmund (Regionalausgabe der Nordwest Zeitung in Oldenburg) über die bevorstehenden Leitungsanlandungen von Offshore-Windparks auf Flächen der Samtgemeinde Esens im Landkreis Witmund: „Leitungsbau: Kommunen befürchten Ausfälle“. Der Artikel ist unten vollständig angehängt, mit freundlicher Genehmigung des Autors. Es geht aber nicht nur um Einnahmeeinbußen für den Tourismus, die Landwirtschaft oder die Küstenfischerei während der Bauzeit, sondern auch um die Durchquerung des EU-Vogelschutzgebietes V63 „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“, das an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer angrenzt.

Das wird nun sogar als Kritikpunkt in der Esenser Samtgemeindeverwaltung erkannt, der sonst das Schutzgebiet egal war (siehe Europameisterschaften der Friesensportler 2024).

Europameisterschaften der Friesensportler im EU-Vogelschutzgebiet V63 bei Neuharlingersiel während der Brutzeit 2024 (Aussschnitt) – Foto: Wattenrat

Immer noch nichts begriffen hat der faktenresistente Bürgermeister von Neuharlingersiel/Samtgemeinde Esens, Peters, der durch den Leitungsbau Beeinträchtigungen für den immer noch geplanten Golfplatz inmitten der „ausgesägten“ Fläche des Vogelschutzgebietes in Ostbense sieht, die nach wie vor ein „faktisches Vogelschutzgebiet“ ist, in dem noch nicht einmal geplant werden darf. Das hatte der Fachausschuss des Esenser Rates 2014 bereits richtig erkannt und die Planung schon damals verworfen. Was ist jetzt anders? Was sagt die Kommunalaufsicht des Landkreises Wittmund zu den Golfplatzplanungen? 2006 blieb sie trotz Nachfrage stumm .

Blick in das EU-Vogelschutzgebiet V63 „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ direkt angrenzend an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: rechtwidrig gebaute Umgehungsstraße Bensersiel und Windpark Utgasst mit Anlagen viel zu dich am Vogelschutzgebiet, Foto (C): Manfred Knake

Diesen enorm kostspieligen Fehler im damals noch „faktischen Vogelschutzgebiet“ machte die Stadt Esens mit der Planung und dem Bau einer Umgehungsstraße um den Ortsteil Bensersiel; die zugrundeliegenden Bebauungspläne wurden 2014 vom Bundesverwaltungsgericht als „unzulässig“ und „nicht heilbar“ ausgeurteilt , was die Stadt aber nicht davon abhielt, die Straße nach Entschädigung des Grundeigentümers für den Verkehr freizugeben. Dieser „Schwarzbau“ kostete den Steuerzahler mindestens 13 Millionen Euro.

Nun fordern der Samtgemeindebürgermeister von Esens, Hinrichs, und der Ortsbürgermeister von Neuharlingersiel, Peters, einen „Nachteilausgleich“ wegen des Trassenbaus und entdecken das Vogeschutzgebiet, haben aber bisher NICHTS unternommen, Schaden vom Vogelschutzgebiet abzuwenden, im Gegenteil.

Man darf gespannt sein, wie (oder ob) sich die „anerkannten Naturschutzverbände“ wie BUND oder NABU in das bevorstehende Raumordnungsverfahren zur Trassenführung und die Golfplatzplanung mit den Auswirkungen auf das Vogelschutzgebiet einbringen werden, das eigentlich nur auf dem Papier besteht.

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Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 01. März 2025

Leitungsbau: Kommunen befürchten Ausfälle
WINDADER WEST – Tourismus in der Samtgemeinde Esens besonders betroffen – Baustellen mehr als 10 Jahre

Detlef Kiesé

ESENS/NEUHARLINGERSIEL. (dk) Gleich auf drei unterirdischen Trassen soll grüner Strom aus den Offshore-Windparks durch das Gebiet der Samtgemeinde geführt werden – Amprion und Tennet sind die Übertragungsnetzbetreiber. Samtgemeindebürgermeister Harald Hinrichs rechnet mit mehreren Baustellen, die aufgrund ihrer Dimensionen und Dauer über mehr als zehn Jahren zu erheblichen Beeinträchtigungen im Tourismus führen werden. „Wir wissen, dass wir die Bauarbeiten wegen der Bedeutung als nationale Aufgabe nicht verhindern können, wollen aber mitgenommen werden“, mahnt Harald Hinrichs (parteilos). Bisher sei man aber nur partiell informiert worden, sodass man den besorgten Bürgern keine Auskunft geben könne.

Im Rathaus wisse man nur, dass derzeit ein Planfeststellungsverfahren für den konkreten Leitungstrassenverlauf von Hilgenriedersiel nach Wilhelmshaven läuft, nachdem ein Raumordnungsverfahren abgeschlossen wurde. Fraglich sei letztlich auch, inwieweit der Leitungsbau mit den Vorgaben für Naturschutz, Nationalpark und Vogelschutzgebiet vereinbar ist. Für Esens-Stadtbürgermeisterin und Landtagsabgeordnete Karin Emken (SPD) stellt sich die Frage, ob aus dem weiteren Ausbau der Offshore-Windparks zusätzliche Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger zukommt.

Große Auswirkungen auf Tourismus
Bisher sind an der ostfriesischen Küste die mehrere Hektar großen Bohrbaustellen zwischen der Hauptdeichlinie und der abschirmenden zweiten Deichlinie eingerichtet worden – die Beeinträchtigungen für die umliegende Bebauung ist eher gering. Im Raum Ostbense indes, so Neuharlingersiels Bürgermeister Jürgen Peters, ist dort, wo die beiden Leitungssysteme von Langeoog angelandet werden sollen, keine zweite Deichlinie vorhanden. Bewohner und Gewerbetreibende müssten demnach mit einer ungleich größeren Belastung rechnen. „Wir befürchten erhebliche Auswirkungen auf die Tourismusorte.“ Die jahrelangen Leitungsverlegearbeiten würden zudem die Realisierung des in Ostbense geplanten Golfplatzes verzögern, die Wege für die zahlreichen Radfahrer und Wanderer am Deich unterbrechen und die Erholung in der freien Natur stören.

Weiterhin werden negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft erwartet.
Peters sieht sich in diesem Kontext ebenso als Fürsprecher für die Neuharlingersieler Fischer. „Durch den Verlust von Fanggebieten und temporären Einschränkungen während der Verlegearbeiten werden sie viele Jahre in ihrer Berufsausübung beeinträchtigt“, mahnt er. Auch dies habe erhebliche Auswirkungen auf den Tourismus. Der Bürgermeister gibt ebenso zu Bedenken, dass gerade im Bereich Neuharlingersiel ein Bedarf besteht zur langfristigen Sicherung der Binnenlandentwässerung – insbesondere weil Starkregenereignisse zunehmen werden. Offshore-Stromleitungen könnten diese Notwendigkeit jedoch deutlich einschränken oder unmöglich machen.

Nachteile sollen ausgeglichen werden
Hinrichs, Emken und Peters wollen angesichts der sich abzeichnenden Belastungen für die Region einen Nachteilsausgleich erreichen. Aus der Sicht Neuharlingersiels hat der dortige Bürgermeister daher bereits ein Papier formuliert, das auch von Stadt und Samtgemeinde Esens befürwortet wird. Darin spricht man sich für eine zeitliche und räumliche Bündelung der Verlegearbeiten aus. Beeinträchtigten Anwohnern und Vermietern müssten je nach Abstand zur Baustelle Nachteile ausgeglichen werden, man müsse die Fischer und Landwirte ebenso berücksichtigen.

Eine Möglichkeit für den finanziellen Ausgleich der Negativauswirkungen auf den Tourismus in Neuharlingersiel sieht Jürgen Peters in der regional konzentrierten Förderung des Tourismus, wie für in die Jahre gekommene Schwimmbäder oder die Umsetzung von Verkehrskonzepten. In der weiteren Umgebung könnten die Lücken im Radwegenetz geschlossen werden. Der Bürgermeister wird deutlich: „Die ,Durchleitungsgemeinden‘ sollten an der Offshore-Wertschöpfung teilhaben dürfen und nicht nur beeinträchtigt werden.“

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