Die Online-Ausgabe der Nordwest Zeitung in Oldenburg meldet am 30. Juli 2010, dass die Nationalparkverwaltung zwei Kitesurferzonen in Wremen und Dorum im Landkreis Cuxhaven genehmigt hat, die Erlaubnis ist zunächst bis März 2012 befristet. Laut Berichterstattung erfolgte die Genehmigung nach „Abstimmung mit den Naturschutzverbänden“. Nun will die Nationalparkverwaltung auch die Reaktionen von Tieren auf die Kitesurfer untersuchen lassen.
Es ist abzusehen, dass die Nationalparkverwaltung willfährige „Gutachter“ zur Untersuchung heranziehen wird und dann die neue Nutzung im Nationalpark auf Jahre festgeschrieben wird. Dafür gibt es schon ein Beispiel: Am umstrittenen Kiter-Spot Upleward (Zwischenzone des Nationalparks) „begutachtete“ der ehemalige Geschäftsführer des NABU-Ostfriesland Bergmann die Unbedenklichkeit des Kitens in unmittelbarer Nähe der Muschelschillbank gegen Bares. Diese Bank ist eine herausragender Brut- und Rastplatz für Wat- und Schwimmvögel des Nationalparks. Der Wattenrat konnte mit Fotos nachweisen, das Kiter hier sehr wohl für erhebliche Unruhe sorgen. Bergmann war wegen der Vernachlässigung und in Folge des Todes der ihm anvertrauten Robustrinder zu einer Geldstrafe verurteilt worden und wurde vom NABU entlassen.
Die Verwendung von Drachen in den Zwischen- und Ruhezonen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer (Weltnaturerbe!) ist aus Vogelschutzgründen laut § 12 des Nationalparkgesetzes verboten. Unter ganz engen Bedingungen können Befreiungen von den Verboten erlassen werden, die aber hier nicht zutreffen. Es wäre ein Skandal, wenn „Naturschutzverbände“ hier mit der Nationalparkverwaltung etwas „abgestimmt“ hätten, auf welcher Rechtsgrundlage? Die anerkannten Naturschutzverbände (14 in Niedersachsen!) können im Befreiungsverfahren vorher eine Stellungnahme abgeben, wenn sich ein Naturschutzverband positiv dafür ausspräche, wäre das ein glatter Verstoß gegen die eigenen Ziele und Satzungen. Und die Naturschutzverbände können gegen Entscheidungen der Nationalparkverwaltung klagen.
Verträglichkeitsprüfungen sind auch nicht NACH der Genehmigung, sondern VOR Genehmigungen (§34 Bundesnaturschutzgesetz) durchzuführen. Die Nationalparkverwaltung tut derzeit alles, um noch mehr dem Naturschutz im Wattenmeer völlig abträgliche Nutzungen unter Verletzung geltenden Rechts durchzudrücken, das ist rechtswidrig und die Kapitulation vor der Spaß-Gesellschaft, die immer neue Outdoor-Aktivitätenauch in Schutzgebieten entwickelt. Dafür wird umso mehr das Etikett „Weltnaturerbe“ strapaziert und von der Nationalparkverwaltung der „Naturtourismus“ beworben. Von den Naturschutzverbänden müssten nun eigentlich Rechtsmittel gegen die zahlreichen Kiter-Genehmigungen im Nationalpark eingelegt werden; BUND und NABU sind aber wegen finanzieller Abhängigkeiten vom Land inzwischen handzahm. Zudem sind einige Funktionäre von BUND und NABU seit Jahren mit Mitarbeitern der Nationalparkverwaltung persönlich bekannt, man kennt sich und vermeidet den eigentlich notwendigen Konflikt. Auf diesem Nährboden von Abhängigkeit und Kumpanei kann der Natuschutz nicht gedeihen. Es ist ein Trauerspiel, was derzeit als „Naturschutz“ im Lande bezeichnet und wie der Naturschutz von Politik, Behörden und Verbänden gezielt an die Wand gefahren wird.