Windenergie: Artenschutz durch EU-Notfallverordnung auch in Natura-2000-Gebieten ausgehebelt

Vorfahrt für die Windenergie nun auch in Natura-2000-Gebieten – Foto (C): Manfred Knake

Die von den Grünen dominierte Ampelregierung hat erneut artenschutzrechtliche Standards für den beschleunigten Ausbau der Windenergie an Land und auf See ausgehebelt, in einem nie dagewesen Umfang, nun auch in Natura-2000- Schutzgebieten der EU. Deutschland beruft sich auf die Umsetzung der EU-Notfallverordnung vom 19. Dez. 2022 in nationales Recht. Bemerkenswert ist die zügige Umsetzung in nur wenigen Wochen.

Die seit Jahrzehnten vorhandenen Natura-2000-Flächen (FFH- und Vogelschutzrichtlinie) sind bis heute nicht ausreichend geschützt, wie die vielen Vertragsverletzungsverfahren der Vergangenheit gegen Deutschland beweisen. Nun ist alles anders, Deutschland hat zusammen mit Lobby der Windenergiewirtschaft in Brüssel erfolgreich Druck gegen störenden Genehmigungshemmnisse beim beschleunigten Ausbau der Windenergie gemacht. Das steht u.a. in der Pressemitteilung des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, siehe unten, vom 30. Jan. 2023: „Der Minister machte auch deutlich: ´Die Beschleunigung ist absolut erforderlich. Aber klar ist auch, dass der Artenschutz wichtig ist und bleibt. Der Artenschutz wird materiell gewahrt. Es wird weiterhin Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen geben.´“ Das ist dreist und nicht wahr: „Die Vorgaben der Vogelschutz-, Fauna-Flora-Habitat- und UVP Richtlinie zur artenschutzrechtlichen Prüfung und UVP werden für den Anwendungsbereich der Verordnung außer Kraft gesetzt.“ So sieht das dann in der Praxis aus: „Um die artenschutzrechtlichen Belange zu wahren, stellt die zuständige Behörde aber sicher, dass der Betreiber angemessene und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen durchführt. Insbesondere wenn solche Maßnahmen nicht existieren, müssen Betreiber einen finanziellen Ausgleich in ein Artenhilfsprogramm leisten.“ D.h. dass Betreiber im Zweifelsfall einen finanziellen Ausgleich in ein Artenhilfsprogramm zahlen – die Anlagen dürfen aber dennnoch errichtet werden. Naturschutzfachliche Vorgaben wie Verträglichkeitsprüfungen, Verordnungstexte von Schutzgebieten oder Abstände zu Vogellebensräumen werden betreiberfreundlich eingestampft. Noch 2018 tönte die grüne Bundespolitikerin Katrin Göring Eckhardt: „Wir wollen, dass in den nächsten vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“  Die vier Jahre sind nun tatsächlich vorbei, der Einsatz war nur Wortgeklingel.

In der EU (vorneweg Deutschland) geht man von der irrigen Annahme aus, dass fehlendes Gas aus Russland (keine Sanktionen, sondern hausgemachter Boykott wegen des Angriffs auf die Ukraine) durch wetterabhängige Windkraftanlagen ersetzt werden kann, das soll auch „dem Klima“ dienen. Nur benötigen noch mehr Windkraftanlagen auch mehr Gas aus Gaskraftwerken zur Netzstabilisierungen der schwankenden Windstromeinspeisung. Gewonnen haben diesen Krieg schon die Kriegsgewinnler der Windenergiewirtschaft zu Lasten des Landschafts- und Artenschutzes. Die Grünen sind laut Sahra Wagenknecht (Die Linke) die „gefährlichste Partei im Bundestag“, womöglich nicht nur für den Artenschutz…

Pressemitteilung des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Minister Dr. Habeck), 30. Jan. 2023:

Kabinett beschließt Beschleuniger für Wind- und Netzausbau – EU-Notfallverordnung wird umgesetzt – Verfahren werden noch mal schneller
Einleitung

Die Verfahren zum Ausbau von Windenergie an Land, Windenergie auf See sowie für Offshore-Anbindungsleitungen und Stromnetze werden noch einmal deutlich weiter beschleunigt. Dazu hat das Bundeskabinett heute den von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck vorgelegten Entwurf einer Formulierungshilfe zur Umsetzung der sogenannten EU-Notfallverordnung (Verordnung EU 2022/2577) beschlossen. Sie wird nun dem Bundestag zugeleitet.

Bundesminister Habeck: „Die Bundesregierung hat heute einen Windausbau-Beschleuniger auf den Weg gebracht, wie wir ihn noch nicht hatten. Die Verfahren für den Ausbau von Windenergieanlagen an Land und auf See werden noch mal deutlich schneller. Das gilt auch für den Ausbau der Stromleitungen. Damit erhöhen wir die Dynamik des Ausbaus der Erneuerbaren Energien nochmal kräftig. Zusammen mit der Reform des EEG, der Anhebung der Höchstsätze in den Ausschreibungen für Wind- und Solar und einer Reihe von weiteren Änderungen haben wir den Weg für die Beschleunigung freigeräumt. Die Bundesländer und die Genehmigungsbehörden haben nun die gesetzlichen Grundlagen, um den Windkraftausbau mit voller Kraft voranzutreiben und Anlagen zügig zu genehmigen. Ich bin sicher, dass sie das jetzt auch tun werden, schließlich liegt die dreifache Dringlichkeit auf der Hand: Die Erneuerbaren sind Klimaschutz, sie sind eine Standortfrage, sie bedeuten Sicherheit.“

Der Minister machte auch deutlich: „Die Beschleunigung ist absolut erforderlich. Aber klar ist auch, dass der Artenschutz wichtig ist und bleibt. Der Artenschutz wird materiell gewahrt. Es wird weiterhin Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen geben.“

Die sogenannte EU-Notfallverordnung war am 19. Dezember im EU-Energieministerrat beschlossen worden und ermöglicht in den Mitgliedstaaten eine deutliche Beschleunigung. Sie wird nun durch Änderungen im Windenergieflächenbedarfsgesetz, im Windenergie-auf-See-Gesetz und im Energiewirtschaftsgesetz in nationales Recht umgesetzt. Dafür hat das Kabinett heute eine Formulierungshilfe beschlossen, die in das parlamentarische Verfahren zur Änderung des Raumordnungsgesetzes eingebracht werden soll. Folgende Kerninhalte sind vorgesehen:

Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für alle Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen an Land, Windenergieanlagen auf See und Stromnetze ab einer Leistung von 110 kV, die vor dem 30. Juni 2024 begonnen werden. Auch bereits begonnene Genehmigungsverfahren können von den Erleichterungen profitieren.
Vereinfachte Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land, Windenergieanlagen auf See und Netzinfrastrukturprojekte in ausgewiesene EE- und Netzgebiete: Für ausgewiesene EE- und Netzgebiete, die bereits eine strategische Umweltprüfung (SUP) durchlaufen haben, entfällt im Genehmigungsverfahren die Pflicht der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und der artenschutzrechtlichen Prüfung.
Um die artenschutzrechtlichen Belange zu wahren, stellt die zuständige Behörde aber sicher, dass der Betreiber angemessene und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen durchführt. Insbesondere wenn solche Maßnahmen nicht existieren, müssen Betreiber einen finanziellen Ausgleich in ein Artenhilfsprogramm leisten. Die Bewertung erfolgt auf Basis bestehender Daten. Die Vorgaben der Vogelschutz-, Fauna-Flora-Habitat- und UVP Richtlinie zur artenschutzrechtlichen Prüfung und UVP werden für den Anwendungsbereich der Verordnung außer Kraft gesetzt.

Die sogenannte EU-Notfallverordnung enthält außerdem weitere Regelungen zur Beschleunigung, die unmittelbar anwendbar sind und deshalb nicht in nationales Recht umgesetzt werden müssen:

Bei Repowering von erneuerbaren Anlagen oder Netzverstärkungsmaßnahmen wird die UVP auf eine Deltaprüfung begrenzt, also auf die Mehrbelastung der neuen Anlage oder Leitung im Vergleich zur bestehenden Anlage oder Leitung. Bei Repowering von Solaranlagen kann die UVP-Pflicht unter bestimmten Umständen gänzlich entfallen.
Beschleunigung für die Installation von Solarenergieanlagen: Die Dauer von Genehmigungsverfahren für die Installation von Solarenergieanlagen (auch Dach-PV und PV auf künstlichen Strukturen wie z.B. Deponien) wird auf drei Monate verkürzt. Darüber hinaus müssen die nationalen Genehmigungsbehörden bei PV-Anlagen auf künstlichen Strukturen keine Prüfung vornehmen, ob das Projekt eine UVP erfordert, oder eine spezielle UVP durchzuführen wäre. Für Anlagen unter 50 kW gilt zusätzlich eine Genehmigungsfiktion.
Beschleunigung des Wärmepumpenausbaus: Die Verordnung begrenzt die Dauer der Genehmigungsverfahren grundsätzlich auf einen Monat für die Installation von Wärmepumpen mit einer elektrischen Leistung von weniger als 50 MW und auf drei Monate bei Erdwärmepumpen. Zudem wird ein Anschlussrecht für Wärmepumpen bis 12 kW bzw. bis 50 kW im Eigenverbrauch etabliert.

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