
Uhu-Beringer Stefan Brücher mit Uhu-Todfund am Mittelspannungsmast – Foto: Guido Schlangen (mit freundlicher Genehmigung der EGE)
Naturschützer der alten Schule kennen noch den Begriff „Vollzugsdefizit im Naturschutz“, will sagen, dass die Naturschutzgesetze der Republik nur schleppend oder gar nicht umgesetzt werden. Beispiele dafür gibt es genug, z.B. den Schutz der Wiesenbrüter sogar in den europäischen Vogelschutzgebieten, der oft nur auf dem Papier besteht. Die Intensivlandwirtschaft als Verursacher dient eben nicht allen, vor allem nicht dem Schutz der eigentlich streng geschützten Wiesenvögel. Die weisungsgebundenen Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise können daran oft nichts ändern, die Bauernlobby setzt sich häufig durch und mäht dann mit Ausnahmegenehmigungen, die zur Regel werden, die Bodennester aus.
Ein anderes, kaum bekanntes Beispiel, ist die Entschärfung von Mittelspannungs-Strommasten für größerer Vögel wie Uhu, Fischadler, Seeadler oder Storch.
Immer noch verunglücken Vögel an diesen Masten durch Stromschlag. Sobald ein Vogel eine Verbindung zwischen einer stromführenden Leitung und einem geerdeten Strommast hergestellt hat, kommt es zum tödlichen Stromschlag. Viele Vögel werden gar nicht gefunden, weil z.B. Füchse die Opfer wegtragen. Der Gesetzgeber verpflichtete daher die Netzbetreiber im §41 des Bundesnaturschutzgesetzes, bis zum 31. Dez. 2012 alle alten Mittelspannungsmasten vogelsicher umzurüsten.
Nur hat sich das zu den Netzbetreibern noch nicht vollständig herumgesprochen. Ein aktuelles Beispiel wird aus Nordrhein-Westfalen gemeldet: Die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) stellte fest, dass die sog. „Büschelabweiser“ aus Fiberglas oft aus den Halterungen fallen und die Masten dann wieder tödlich wirken können. Der dortige Netzbetreiber ist die Westnetz GmbH in Dortmund. Dem Netzbetreiber und der zuständigen Naturschutzbehörde des Kreises Euskirchen ist das Problem bekannt, aber auch hier: kein Vollzug des Naturschutzgesetzes. Den ganze Bericht können Sie nachfolgend lesen, mit freundlicher Genehmigung der Eulenschützer:
Uhu stirbt nach Versäumnissen von Netzbetreiber und Naturschutzbehörde
9. Juli 2025
In den Jahren 2007 und 2008 hatte die EGE den Betreibern des Mittelspannungsnetzes im Kreis Euskirchen eine Karte und eine Liste der dortigen Uhubrutplätze zur Verfügung gestellt. Die Daten sollten dazu dienen, in für Uhus besonders wichtigen Lebensräumen vogelgefährliche Masten vorzeitig zu entschärfen. Vorzeitig hieß möglichst deutlich vor Ende 2012, dem Ablauf der den Netzbetreibern gesetzlich gesetzten Umrüstungsfrist.
Im Kreisgebiet wurden daraufhin viele Masten entschärft, an einigen Masten wurden sogenannte „Büschelabweiser“ montiert. Diese Bauteile sollten potentielle Vogelsitzplätze an gefahrenreichen Stellen auf den Quertraversen der Strommasten für große Vögel unattraktiv machen, um sie vom Landen abzuhalten und die Stromschlagrisiken für Vögel zu senken.
2015 machte die EGE die Stromnetzbetreiber auf die mangelhafte Qualität dieser Büschelabweiser aufmerksam. Denn innerhalb weniger Jahre waren die kleinen Fiberglasstäbe nach und nach aus ihren Halterungen gefallen. Darüber hatte die EGE die Netzbetreiber und die Naturschutzbehörde in Mängelberichten ausführlich informiert. In einem Bericht der EGE aus dem Jahr 2018 wurden diese Masten erneut als gefährlich benannt, aber erst einige Jahre später wurden die verlorengegangenen Büschelabweiser durch längere Isolatoren ersetzt.
Weitere Masten, die ihre Büschelabweiser eingebüßt hatten, meldete die EGE dem Netzbetreiber Westnetz am 27. Februar 2023. Diese Masten befinden sich nur wenige hundert Meter von einem Uhubrutplatz bei Bad Münstereifel entfernt. Es ist einer jener Brutplätze, die den Netzbetreibern bereits 2008 gemeldet worden waren und in deren Umgebung schon damals vorrangig Sicherungsmaßnahmen hatten durchgeführt werden sollen.
Wie die EGE feststellte, wurde an dem betreffenden Leitungsabschnitt zwar im Herbst 2023 gearbeitet und ein Mast getauscht, dazu der Strom abgeschaltet und angrenzende Ortschaften aufwändig durch mobile Generatoren mit Strom versorgt. Die drei in Sichtweite gelegenen benachbarten Betonmasten mit den verlorengegangenen Büschelabweisern wurden jedoch nicht nachgebessert, was buchstäblich nahegelegen und sich aufgedrängt hätte. Das Stromschlagproblem für Uhus und andere große Vögel blieb folglich widerrechtlich weiterhin ungelöst.
Zwar richtete die Naturschutzbehörde des Kreises Euskirchen nach dem Bekanntwerden von durch Stromschlag an Mittelspannungsmasten getöteten Uhus 2015 ein Gesprächsforum zwischen Netzbetreiber, Naturschutzbehörde und EGE ein. Doch nach 2021 fanden keine Gespräche mehr statt, obwohl noch nicht alle Masten umgerüstet waren. Die Bemühungen der EGE für eine Wiederaufnahme der Gespräche blieben erfolglos.
Warum berichten wir alles dies? Nun, am 09. Juli 2025 wurde unter einem hier in Rede stehenden Mast ein vom Stromschlag getöteter Uhu gefunden (im Bild oben mit Stefan Brücher). Es handelt sich um einen weiblichen Altvogel, der im Mai 2022 im Kreis Düren nestjung beringt worden war. Inwiefern der Uhu Jungvögel im benachbarten Steinbruch zu versorgen hat, ist noch unklar. Der Tod des Uhus ist das bittere Versäumnis von Netzbetreiber und Naturschutzbehörde – mehr als 12 Jahre nach Ablauf der den Netzbetreibern gesetzlich gesetzten Umrüstungsfrist. Konsequenzen? Vermutlich keine.