Zugvogeltage: Gänseverscheuchen mit dem Reisebus „Vogelkieker“

Vogelkieker-Bus in Kehdingen, Naturerlebnis mit Vogelverscheuchen

Bitte das Edit 31.10.2010 ganz unten beachten: Die Zugvogeltage wurden auch auf die streng geschütze Vogelinsel Memmert bei Juist ausgedehnt, initiiert vom BUND!

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„Zurück zur Natur wollen alle, nur nicht zu Fuß“ war ein Spruch aus den Achtzigern, um den Zwiespalt zwischen Naturschutzansprüchen und gehfaul-satten Bildungsbürgern zu glossieren. Heute ist das Realsatire, und ein Geschäftsmodell. Der Verein zur Förderung von Naturerlebnissen e.V. in Stade  vermietet einen Reisebus, ein Schiff und einen kleinen Dieselzug, um das Volk näher an die Natur zu bringen, und um diese auch zu stören. Sponsoren sind u.a eine Windkraftbetreiberfirma (Deinste  Wind), ein Rotary Club und der Landkreis Stade. Niedersachsens berühmt-berüchtigter Umweltminister Sander lobt denn auch diese Art der Naturerschließung als „Erfolgsgeschichte für das Naturerleben in Niedersachsen“. Der Reisebus heißt „Vogelkieker“, ist mit bunten Vögeln bedruckt und fährt Gruppen dicht an Zugvögel heran, manchmal auch zu dicht, dass diese vertrieben werden. Nun soll der Bus auch gegen Bares anlässlich der „Zugvogeltage“ im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer eingesetzt werden.

Die Störungen in der ostfriesischen Leybucht  wurde deutlich in einem Bericht der Ostfriesen Zeitung vom 13. Oktober 2010:

Mit dem Vogelkieker-Bus zu den Zugvögeln in der Leybucht

Zum Abschluss der 2. Zugvogeltage fährt der Vogelkieker- Bus am Sonntag von Aurich und Norden aus in die Leybucht und zum Zugvogelfest nach Greetsiel. Der Vogelkieker ist eine „rollende Beobachtungsstation“. […] Die Fahrt kostet pro Person 20 Euro, Kinder bis 14 Jahre zahlen zwölf Euro. […]

Auf dem Bild im Zeitungsbericht, das wir nicht verwenden dürfen, fährt der große Bus auf sonst gesperrten schmalen Wegen durch die Leybucht und vertreibt deutlich sichtbar mehrere hundert Nonnengänse von ihren Äsungsplätzen. Das ist eigentlich ein Skandal, müsste die Nationalparkverwaltung, die diese „Zugvogeltage“ bewirbt und veranstaltet, doch eigentlich dafür sorgen, dass die Äsungsplätze im Schutzgebiet ungestört bleiben.  Sowohl das Nationalpark- als auch das Bundesnaturschutzgesetz verbieten die mutwillige Beunruhigung von wildlebenden Tieren an ihren Zufluchtstätten. Jeder andere Autofahrer müsste hier ein Bußgeld zahlen, führe er hier, auch ganz ohne Gänse. Es gibt Alternativen: Für weniger bräsige und lauffaule Zeitgenossen bieten sich geführte Touren auf den Deichen an, bei denen man die Gänse und andere Zugvögel mit dem Fernglas gut beobachten kann, ohne zu stören. Nur muss man dann hinaus ins Leben, ohne schützendes Glasdach. Das wäre ein echtes Naturerlebnis!

PS: Und wer unterstützt diesen  rollenden Vogelbeobachtungszirkus? Der Naturschutzbund Deutschland (NABU):

[…] NABU Oldenburger Land zieht mit

Geführte Busexkursionen mit dem „Vogelkieker“, 15. + 16.10.2010: Gemeinsam mit der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer bietet der NABU Oldenburger Land am 15. und 16. Oktober geführte Busexkursionen mit dem „Vogelkieker“ an, einem zu einer rollenden Beobachtungsstation umgebauten Doppeldeckerbus. Diese führen zu Stationen, an denen sich das spannende Geschehen des Vogelzugs im Weltnaturerbe Wattenmeer besonders gut erleben lässt: Am Freitag, 15. Oktober, geht es an den Jadebusen, am Sonnabend, 16. Oktober, an den Dollart. […]

edit 31.Okt. 2010: Erst heute wurde dem Wattenrat bekannt, dass die „Zugvogeltage“  sogar auf die streng geschützte Vogelinsel Memmert bei Juist ausgedehnt wurden, mit einem Kamerateam des NDR. Initiator war der Leiter  des BUND-Nationalparkhauses auf Juist. Gegen Bares wurde mit einem Schiff die Insel angefahren und auf der Insel Vögel beobachtet. Geführte Exkursionen waren auf Memmert bisher nur in den Monaten August und September, also außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeit und vor dem Einsetzen des  Hauptanteils des Vogelzuges möglich. Gibt es auf Juist eigentlich keine Zugvögel mehr zu beobachten? Hier wird deutlich, dass auch die Informationshäuser der Naturschutzverbände im Nationalpark Teil der Vermarktungstrategie des „Weltnaturerbes“ geworden sind, unter dem Deckmantel eines umweltpädagogischen Anspruchs.

Auszug aus dem Faltblatt  http://2xsk.de/proj/zugvogeltage/sites/default/files/media/Flyer-Juist.pdf

Nationalpark-Haus Juist, NLWKN
Vogelinsel Memmert – ein Kleinod im Weltnaturerbe Wattenmeer
Start am Hafen Juist
ca. 5 Stunden
30,- € (inkl. Verpflegung) Erwachsene
Hier haben Sie die seltene Gelegenheit, eine (fast) unbewohnte Insel im Nationalpark kennen zu lernen und zu erfahren, warum solche Inseln so wichtig für die Vögel sind! Mit der Wappen von Juist geht es zunächst am Billriff vorbei nach Memmert. Die Fahrt führt durch die Nahrungsgebiete der Wat- und Wasservögel, die wir ganz aus der Nähe betrachten können. Auf Memmert gibt uns Vogelwart Enno Janssen spannende Informationen über die Insel und ihre wichtige Funktion für den Vogelschutz.

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