Tote Schweinswale: dröhnendes Schweigen!

Toter Schweinswal an der Ems, Juni 2012

Am 15. September 2012 griff der Wattenrat Ostfriesland eine Meldung des Nationalparkamtes in Tönning/S-H auf, wonach „ungewöhnlich“ viele tote Schweinswale im Sommer 2012 an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins angetrieben wurden; von einem NABU-Mitarbeiter in Schleswig-Holstein wurde die Totfunde bestätigt. Die Herkunft der Wale und die Ursache des Sterbens sind nach wie vor nicht bekannt. Wer nun meinte, dass die überregionale Presse dieses mysteriöse Sterben der Kleinwale näher beleuchten werde, wurde enttäuscht. Auch von Greenpeace, wo man sich spendenheischend in der Öffentlichkeit als Schweinswalschützer geriert, kamen bis jetzt keine Stellungnahmen. Die Naturschutzverbände blieben ebenfalls stumm. Auf den Webseiten der Wattenmeernationalparks ist bis heute nichts zu diesem beunruhigenden Phänomen zu lesen. Während der einzelne Schweinswaltotfund  an der Ems vom Juni 2012 noch durch die Gazetten der Republik lief, hörte man nun, nach den deutlich gehäuften Totfunden, nichts mehr, nur dröhnendes Schweigen. Lediglich zwei Lokalzeitungen aus Ostfriesland (Anzeiger für Harlingerland, Wittmund und der Ostfriesische Kurier, Norden) griffen die Wattenrat-Meldungen auf,  am 20. September auch die „Tageszeitung“ taz. Thomas Schumacher, freier Journalist aus Leer und intimer Kenner des Küstenklüngels, arbeitete das Thema für die taz auf und hat zwar keine Ursachen, aber dennoch Erhellendes herausgefunden: Ein gesteigertes Interesse an der Ursachenforschung liegt gar nicht vor!

Link: ASCOBANS-Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale

taz Nord, online, 20. Sept. 2011

http://www.taz.de/Behoerden-finden-Walsterben-normal-/!102088/

 Behörden finden Walsterben normal

Walschutz? Keine Zeit, kein Geld

In letzter Zeit wurden vermehrt tote Schweinswale an der Nordseeküste angespült. Alles normal, sagen die Behörden. Die Todesursache wird aber gar nicht untersucht – zu teuer oder nicht wichtig genug.

von Thomas Schumacher

Sie könnten Sympathieträger der Nord- und Ostsee sein. Aber sie haben keine Kulleraugen, geben nicht Pfötchen und fressen nicht aus der Hand. Und ihr Name „Schweinswal“ ist eine echte Arschkarte. Im Gegensatz zu Robben taugen Schweinswale offensichtlich nicht fürs Bewerben von Fremdenverkehr, Eisbecher, Schnaps und Badelaken. Erst Totfunde machen den einzigen Wal vor Deutschlands Küsten zu einem Ereignis. Davon gab es in den letzten Wochen reichlich.

Doch Nicola Kabel, Sprecherin des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums, sagt: „Die Meldungen der letzten Tage wurden hochgejazzt. Es gibt kein signifikantes Walsterben. Die Totfunde liegen im statistisch normalen Bereich.“ Ähnlich äußert sich Inka Burow vom Umweltministerium in Niedersachen. Nach Auskunft der Ministerien gab es bis jetzt in Niedersachen 30 Totfunde, im „Rekordjahr“ 2002 waren es 75. Auf Sylt wurden 60 Kadaver angespült, im ganzen Vorjahr waren es nur 40. Je knapp ein Dutzend der Meeressäuger verendeten vor Trischen und Helgoland.

Seit 2003 sei die Zahl der Totfunde in Schleswig-Holstein angestiegen, räumt Sprecherin Kabel ein und mutmaßt: „Die Bestände könnten sich aus der nördlichen Nordsee in den Süden verlagert haben.“

„Das ist Unsinn“, sagt Karsten Brensing von der Deutschen Sektion der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) in München. „Die These, Walbestände würden sich verlagern, ist wissenschaftlich nicht haltbar.“ Die WDCS kämpft weltweit unter anderem für die Vernetzung von Walschutzgebieten. „Systematische Untersuchungen von behördlicher Seite gibt es nicht“, kritisiert Brensing. Die Totfunde seien also lediglich Zufallsfunde. Selbst diese seien aber, zumindest was Schleswig-Holstein betrifft, dramatisch. „Wichtig wäre auf jeden Fall zu wissen, woran die Tiere verendet sind“, sagt der Walschützer.

Silke Klotzhuber vom niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) sagt zur taz: „Wir haben tote Schweinswale auf Eis. Aus organisatorischen Gründen wurden die Tiere aber noch nicht obduziert.“ In Schleswig-Holstein steht es noch schlechter: „Wir lassen nur Alter, Geschlecht und genetische Abstammung klären. Eine gesundheitliche Prüfung findet seit 2010 aus Kostengründen nicht statt“, erklärt Ministeriums-Sprecherin Kabel.

„Das ist ein Hammer“, ärgert sich Walschützer Karsten Brensing. „Deutschland ist durch internationale Abkommen verpflichtet, gerade die Todesursachen bei verendeten Schweinswalen zu erforschen und zu dokumentieren.“

Fischerei, Lärm und die Verschmutzung durch Chemikalien sind die Hauptfeinde des Schweinswals. Zudem verenden jedes Jahr Tausende Schweinswale in den Stell- und Schleppnetzen der Fischerei. Der niedersächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Meyer stellte kürzlich eine Anfrage an die Landesregierung, ob sie gedenke, der Fischerei Auflagen wegen verendeter Schweinswale zu machen. Gedenke sie nicht, antwortete die Regierung, weil in Niedersachsen nur „walfreundlich“ gefischt würde. „Lüge“, sagt Eilert Voss, Naturschützer von der ostfriesischen Umweltgruppe Wattenrat. Er kann Fangreusen vorzeigen, die Kleinwale töten.

„Die Naturschutzverbände sind beim Walschutz in einer kniffligen Situation“, sagt Karsten Brensing vom WDCS. „Sie engagieren sich für den Aufbau von Offshore-Windanlagen.“ Die Bauten der Anlagen befinden sich aber genau auf den Zugwegen und neben den Schutzgebieten der Schweinswale. „Der Rammlärm für den Bau dieser Anlagen ist für Schweinswale tödlich“, sagt Brensing. „Noch 50 Kilometer im Umkreis der Baustellen wird das Orientierungssystem der Kleinwale verwirrt.“

Tatsächlich gibt das Offshore-Forum Windenergie, eine Vereinigung der seeständigen Industrieanlagenbetreiber, zu, keine ausreichenden technischen Möglichkeiten für den Schutz der Schweinswale bei Rammarbeiten zu besitzen. Deswegen dürften aber die Arbeiten nicht behindert werden, so das Forum. Werden sie auch nicht. Als beim Bau des Windparks Borkum Riffgat die Rammlärm-Messungen wegen defekter Instrumente ausfielen, wurde einfach weitergerammt. „Wir wissen, dass Rammen keine Lösung ist und alternative Möglichkeiten für den Bau von Windanlagen auf See gefunden werden müssen“, sagt Walschützer Brensing. „Die Industrie mag es aber billiger. Naturschutz ist für sie lästig und vernachlässigbar.“

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