Am 22. Juli 2014 berichteten wir über die Absicht des Landes Niedersachsen, einen „Windenergieerlass“ und eine neue Leitlinie dazu zu erarbeiten, unter überwiegender Beteiligung der Windenergiewirtschaft wie der Herstellerfirma Enercon und des Projektierers „Windwärts“, insgesamt 14 Vertreter der Windlobby und zwei Vertreter der Naturschutzverbände NABU und BUND. Der Erlass und die Leitlinie soll die für die Windenenergiewirtschaft planungs- und profithemmende Arbeitshilfe „Windenergie und Naturschutz“ des Niedersächsischen Landkreistages ersetzen, deren aktueller Entwurf vom Juli 2014 hier nachzulesen ist: NLT_Windenergie_Entwurf_Juli2014 . Die Nachrichtenagentur dpa berichtete dazu ausführlich.
Die dpa-Berichterstattung über die Akteure und Zielsetzungen des „Windenergieerlasses“ in Niedersachsen hat das Niedersächsische Umweltministerium aufgeschreckt. Nun soll die „Debatte versachlicht“ werden, die aber ohne die dpa-Berichterstattung gar nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangt wäre. Plötzlich, nachdem die Decke der Heimlichkeit weggezogen wurde, entdeckt das Umweltministerium die „offene Dialogkultur“, welche Heuchelei!
Es geht mit dem Wind-Erlass auch nicht um „das Kernstück der Energiewende“, sondern um das Freischaufeln und von neuen Flächen für die Begehrlichkeiten der Windenergieprojektierer und -betreiber, bei der bereits seit Jahren vorliegende und immer weiterentwickelte fachliche – aber hinderliche- Arbeitshilfe Windenergie des Niedersächsischen Landkreistages für die Landkreise entbehrlich gemacht werden soll.
Eine bemerkenswerte Rolle spielt dabei auch der BUND, der nun den Spagat zwischen dem „erneuerbare“ Energienverband (der BUND ist Ökostromvermittler) und Naturschutzverband -der er eigentlich sein sollte!- leisten muss, und wohl nicht kann, wie in seiner Pressemitteilung vom 15. August 2014 deutlich wird (ganz unten: „Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. unterstützt die Absicht der Landesregierung die Windenergie in Niedersachsen als wesentliches Standbein der Energiewende auszubauen…“). Nach zwanzig Jahren Windenergieausbau in Niedersachsen mit der politisch gewollten Vernichtung großer Zugvogellebensräume an der Küste, nach zwanzig Jahren enormer Fledermausverluste, fällt dem BUND jetzt nur ein hilfloses „Monitoring“ ein, statt als Naturschutzverband energisch auf die Windkraftausbaubremse zu treten und die oben verlinkte Arbeitshilfe „Windenergie und Naturschutz“ des Niedersächsischen Landkreistages zu unterstützen. Das hat der BUND seit vielen Jahren versäumt! Das viel gebrauchte Wort „Monitoring“ wird zum verschleiernden Nebeltopf, weil der BUND kaum energisch gegen die Landesregierung und das Umweltministerium auftreten kann. Der sofortige Entzug der Projektfördermittel z.B. aus der vom Umweltministerium verwalteten Wattenmeerstiftung wäre die Folge; der BUND, wie andere der insgesamt 15 „anerkannten“ und kaum bemerkbaren Naturschutzverbände im Lande auch, ist finanziell abhängig vom Land.
Die Planungsbüros sind ohnehin verpflichtet, bei Windenergieprojekten vorher Daten der Vögel und Fledermäuse im Planungsgebiet zu erheben, was aber nicht selten unter Zudrücken beider Augen ganz im Sinne des beauftragenden und zahlenden Investors geschieht. Ein Beispiel aus Göttingen: Was nicht passt, wird passend gemacht!
Wie will man in einem „Monitoring“ z.B. die Anflugopfer (Vögel und Fledermäuse) systematisch und flächendeckend erfassen? Wer will das bezahlen, wer soll das personell leisten? Allein im ostfriesischen Windpark Utgast/Holtgast im LK Wittmund (Bild oben) sind es 10 km schwerlastfähige Straßen, extra für den Windpark in die Marschenlandschaft gebaut, die dann regelmäßig abgelaufen werden müssten, und man fände trotzdem nur einen Bruchteil der Anflugopfer, die im Bewuchs verschwinden und von Fuchs und Marder leichter gefunden werden, bevor ein „Monitoring“ sie entdeckt. Als die Universität Hannover die gewaltigen Fledermausverluste durch Windkraftanlagen veröffentlichte (die Standorte der beprobten Windkraftanlagen durften nicht bekannt werden), schwieg der BUND. Nichts, aber auch gar nichts hat der BUND bisher aktiv unternommen, um gegen den Windwahn im Land vorzugehen, und jetzt werden Hilflosigkeiten wie „Monitoring“ vom hannoverschen Schreibtisch aus verbreitet. Vermutlich haben die BUND-Schreibtischfunktionäre, die jetzt wohlfeil ein „Monitoring“ ins grausame Erlass-Spiel bringen, noch nie einen Windpark von innen, geschweige denn die Opfer gesehen.
Dem „Vernehmen nach“ wurde der zustimmenden Pressemitteilung des BUND vom 15. August 2014 zu den weiteren Windkraft-Ausbauplänen der Landesregierung höchstes Lob aus der Energieabteilung des Umweltministeriums zuteil. Allein daran ist zu erkennen, dass der BUND-Landesverband Partei beim weiteren Landschaftszubau mit Windkraftanlagen ist, und nur noch dem Namen nach ein Naturschutzverband, der das eigentlich beklagen müsste! Die Mitarbeit der BUND-Funktionäre in der Arbeitsgruppe zum Windenergieerlass, nun „Dialogforum“ genannt, dürfte sich daher nur als Naturschutz- Feigenblatt erweisen.
Im Gegensatz zum BUND-Landesverband gibt es aber durchaus rührige BUND-Kreisverbände, die sich sehr kritisch mit der Windenergieentwicklung im Land auseinandersetzen. Von dort müsste der Landesverband zur Ordnung gerufen werden.
Von: Pressestelle (MU) [mailto:Pressestelle@mu.niedersachsen.de]
Gesendet: Mittwoch, 13. August 2014 16:58
Betreff: Debatte versachlichen: Entwurf des Windenergieerlasses
veröffentlichtLiebe Kolleginnen und Kollegen,
wie gestern berichtet, erarbeitet das Umweltministerium derzeit gemeinsam mit dem Wirtschafts-, dem Landwirtschafts-, dem Innen- und dem Sozialministerium einen Windenergieerlass, der durch die Landesregierung noch bis zum Jahresende beschlossen werden soll. Im Sinne einer offenen Dialogkultur geschieht dies in einem Beteiligungsprozess mit dem Ziel der Abwägung aller betroffenen Interessen. (Presseinformation Nr. 114/2014:
http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/energiestaatssekretaerin-almut-kottwitz-bis-2050-sollen-windenergieanlagen-an-land-20-gw-leistung-liefern-127091.html
Für die Erarbeitung des Erlasses wurde im Februar 2014 ein Dialogforum eingerichtet, in dem die Verbände und Vertreter der Windenergiebranche (Enercon, GE, BWE, WVW, Energiekontor), die Naturschutzverbände (BUND, NABU), die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), die Klimaschutzagentur Region Hannover, die Koordinierungsstelle Windenergierecht sowie die Kommunalen Spitzenverbände (NLT, NStGB, NST) die Landesregierung bei der Erarbeitung des Erlasses beraten. Diese Beteiligung erfolgt, um Konfliktpotenziale und widerstreitende Interessen frühzeitig zu erkennen und möglichst konsensuale Lösungen unter den Beteiligten zu erreichen.
Bisher galt im Dialogforum die Verabredung der Vertraulichkeit: Inhalte sollten nicht nach außen getragen werden. Der aktuellen Berichterstattung zufolge liegen aber abredewidrig einzelnen Medien verschiedene Arbeitsstände des Erlassentwurfes vor. Um die öffentliche Debatte nun wieder zu versachlichen, hat das Umweltministerium entschieden, dass alle den selben Wissensstand haben sollen und der aktuelle Erlassentwurf (Stand: 21.07.2014) veröffentlicht wird.
Dieser Zwischenstand wird erfahrungsgemäß in dem Dialogprozess noch manche Änderungen erfahren. Abschließend wird die Landesregierung die
Verbände wie üblich formal beteiligen und dann über den Erlass entschieden.» Zum Entwurf des Windenergieerlasses (Stand: 21.07.2014):
http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/windenergie-als-kernstueck-der-energiewende-127121.htmlMit freundlichen Grüßen
Inka Burow
Stellv. Pressesprecherin
Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz
Archivstr. 2 | 30169 Hannover—
Pressemitteilung BUND-Niedersachsen, 15. August 2014
Ausbau der Windenergie in Niedersachsen nur wenn Biologische Vielfalt gesichert wird.
Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. (BUND) unterstützt die Absicht der Landesregierung die Windenergie in Niedersachsen als wesentliches Standbein der Energiewende auszubauen, wie von der Staatssekretärin des Umweltministeriums am 12. August angekündigt.
„Das Ausbauziel von 20 GW bis 2050 kann ein Wert sein, den man als Zielvorgabe verfolgt“, so Stefan Ott, stellvertretender Geschäftsführer des BUND. „Wir fordern aber vom Land, dass gleichzeitig die Bemühungen verstärkt werden, den Energieverbrauch in Niedersachsen deutlich zu reduzieren und veraltete Windkraftanlagen durch Repowering durch leistungsfähigere zu ersetzen. Denn, was wir an Strom nicht verbrauchen muss gar nicht erst produziert werden, und was durch moderne Anlagen an geeigneten Standorten alter Rotoren entsteht, dafür brauchen wir keine neue Flächen.“
Der BUND befürwortet außerdem, dass der Ausbau der Windenergie schrittweise erfolgt und durch Landesplanung und Raumordnung gesteuert wird. „Wir fordern außerdem, dass der weitere Ausbau der Windkraft in Niedersachsen durch ein gezieltes landesweites Monitoringprogramm begleitet wird, bei dem besonders die von den Rotoren gefährdeten Arten gezielt in den Blick genommen werden“ so Stefan Ott. Damit soll eine (politische) Fehlsteuerung vermieden werden, wie es bei der Förderung der Biogasanlagen geschehen ist und weshalb wir heute die „Vermaisung“ von Niedersachsen beklagen. In regelmäßigen Abständen soll die Landesregierung dem Landtag und der Bevölkerung eine Bilanz vorlegen, was an Ausbau der Windenergie geschafft ist und dass die dadurch potenziell tangierten Tierarten in Niedersachsen nicht leiden. So kann der schrittweise Ausbau der Windenergie auf seine Umweltverträglichkeit hin beurteilt und – bei nicht akzeptablen Ergebnissen – gegengesteuert werden. Aufgabe der Landesregierung ist außerdem sicherzustellen, dass die Bevölkerung in Niedersachsen dabei mitzieht und die Akzeptanz nicht verloren geht. Wo ausgebaut werden soll muss frühzeitig unter Einbeziehung aller relevanten Informationen und der Bevölkerung diskutiert und durch Landesplanung und Raumordnung festgelegt werden.