Offshore-Versorger ´Njord Forseti´ rammt Windkraftanlage

Offshore-Versorgerflotte, Hafen Borkum, 2014 – Foto (C): Eilert Voß, Archiv Wattenrat

Nun ist es passiert: Am 24. April 2020 kollidierte der unter britischer Flagge fahrende Offshore-Versorger „Njord Forseti“  im Offshore-Windpark „Borkum Riffgrund 1“ mit einer Siemens-Anlage, ungefähr 45 Kilometer nördlich der Insel. Ein anderes Versorgungsschiff in der Nähe fuhr zuerst zum Havaristen, der Seenotrettungskreuzer „SK40“ (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) von Borkum kam ebenfalls zu Hilfe. Ein schwer verletztes Besatzungsmitglied der „Njord Forseti“ wurde per Hubschrauber ins Universitätsklinikum Groningen geflogen; ein zweiter Verletzter kam ins Krankenhaus nach Westerstede.

Der am Bug schwer beschädigte Havarist erreichte mit eigener Kraft unter Begleitung des Seenotrettungskreuzers das niederländische Eemshaven. Über Schäden an der Windkraftanlage wurde nichts bekannt. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR1) zitierte am 24.04. die Wasserschutzpolizei in Emden: „Für die Wasserschutzpolizei Emden ist es ein Rätsel, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Es sei bisher unklar, ob es technische Probleme oder menschliches Versagen waren, sagte ein Sprecher NDR 1 Niedersachsen“.

Die havarierte „Njord Forseti“, 2016 gebaut, ist ein kleines Schiff: Gesamtlänge 26,3m, größte Breite 8,91m, als“High-Speed-Craft“ klasssifiziert. Bei einer Kollision durch ein wesentlich größeres Schiff, sei es ein Containerriese oder gar ein Öltanker mit Maschinen- oder Ruderschaden, wäre die Havarie nicht so relativ glimpflich abgelaufen und hätte auch eine Ölpest nach sich ziehen können. Nach „Prognosen“ und „Risikolanalysen“ des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) in Hamburg am Beispiel eines anderen Windparks in der „Ausschließliche Wirtschaftszone“ (AWZ) dürften sich solche Kollisionsereignisse nur alle „435 Jahre“ ereignen, weiter: „Eine auf das Jahr 2017 abgestellte Prognose kommt zu einem Wert von 375 Jahren […] Die ermittelte und die prognostizierte Kollisionswiederholrate liegt über dem von der Arbeitsgruppe Richtwerte ermittelten Mindestwert von 150 Jahren, ab dem von einem hinnehmbaren Risiko ausgegangen werden kann[…].“ (Quelle: Genehmigungsbescheid auf den Antrag der Northern Energy OWP West GmbH -vormals LCO Nature GmbH- , Leerer Landstraße 72, 26603 Aurich vom 15. April 2014, Auszug s.u.).

Bis 2019 gingen 420 Offshore-Windkraftanlagen in der deutshen AWZ ans Netz, weitere hunderte dieser künstlichen Riffe sind geplant. Erst am 25. Februar 2020 havarierte der unter der Flagge von Barbados registrierte Frachter „Santorini“ vor Helgoland in schwerer See und trieb mit Ruderschaden auf einen Windpark zu. Die „Santorini“ wurde rechtzeitig von einem Notschlepper auf den Haken genommen und in Sicherheit gebracht. Die Risiko-Prognosen der Bundesbehörde BSH sind für die Realität wertlos und haben die Qualität der Kaffeesatzleserei. Wie soll der U.S.-amerikanische Schriftsteller Mark Twain gesagt haben: „Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“.

(Aktualisiert am 27. April 2020. In der ersten Fassung hieß es, der Havarist wurde nach Eemshaven geschleppt. Das war nicht der Fall. Die „Njord Forseti“ konnte trotz Wassereinbruchs den Hafen von Eemshaven mit eigener Kraft erreichen.)

BSH, Hamburg, den 15.04.2014

https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Offshore/_Anlagen/Downloads/Genehmigungsbescheid/Windparks/Genehmigungsbescheid_OWP_West.pdf?__blob=publicationFile

Genehmigungsbescheid Auf den Antrag der Northern Energy OWP West GmbH (vormals LCO Nature GmbH), Leerer Landstraße 72, 26603 Aurich, vertreten durch die beiden Geschäftsführer xxx Probst, […] werden die Errichtung und der Betrieb von 41 Windenergieanlagen (WEA) einschließlich Nebenanlagen im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee nach Maßgabe der folgenden Nebenbestimmungen mit Zustimmung der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Außenstelle Nordwest (GDWS Außenstelle Nordwest), Schlossplatz 9, 26603 Aurich, […] genehmigt

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Ergebnisse der Risikoanalyse Insgesamt ist die im Rahmen der Risikoanalyse angewendete Methodik als vertretbar anzusehen. Die vorgelegte Expertise entspricht dem Stand der Technik. Grenzen und Randbedingungen sind klar definiert worden. Bei Addition aller Kollisionsrisiken durch manövrierunfähige und manövrierfähige Fahrzeuge aller Schiffstypen der gewerblichen Schifffahrt auf den verschiedenen identifizierten Schifffahrtsrouten in der Umgebung des Vorhabens gelangte der GL in der Risikoanalyse vom 03.04.2009 – S. 34 – zu dem Ergebnis, dass bei einer Anlagenzahl von 42 WEA der statistisch zu erwartende Zeitraum zwischen zwei Kollisionen (Kollisionswiederholrate) ohne die Berücksichtigung weiterer risikomindernder Maßnahmen 435 Jahre beträgt. Eine auf das Jahr 2017 abgestellte Prognose kommt zu einem Wert von 375 Jahren (S. 41). Dementsprechend ist das für den einzelnen Offshore-Windpark errechnete bzw. prognostizierte Risiko, auch unter Berücksichtigung der sich noch weiter entwickelnden Methodik und Empirie, als im Rahmen der Verkehrssituation und des derzeit bestehenden 36 Sicherheitssystems in der Deutschen Bucht akzeptabel zu bewerten. Die ermittelte und die prognostizierte Kollisionswiederholrate liegt über dem von der Arbeitsgruppe Richtwerte ermittelten Mindestwert von 150 Jahren, ab dem von einem hinnehmbaren Risiko ausgegangen werden kann[…].“

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