Unser Mitarbeiter Eilert Voß, der seit Jahrzehnten ehrenamtlich Vogeldaten für die Staatliche Vogelschutzwarte im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) erhebt, verbrachte mit seiner Ehefrau ein paar Tage auf der Insel Norderney. Die Insel ist zum größten Teil Bestandteil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“. Norderney liegt, wie die anderen Ostfriesischen Inseln auch, in einem Fauna-Flora-Habitat- (FFH) und einem europäischen Vogelschutzgebiet. Der Nationalpark wurde 1986 eingerichtet und 2009 mit dem Etikett „Weltnaturerbe“ geadelt, für noch mehr Tourismus. Auf dem Papier klingt das gut, die Realität sieht das jedoch anders aus. Kurz vor Pfingsten und vor dem gewaltigen Touristenansturm reiste Voß wieder ab, er wusste warum, siehe Zeitungsausschnitt oben. Hier ein Auszug aus seinem Bericht vom „alltäglichen Wahnsinn“ in diesem Naturschutzgebiet:
„Auf unseren Radtouren waren wir von Norderneys ´Gemeinen-Ochsenzungen´ begeistert, die von Unmengen Bienen, Hummeln, Distelfaltern, Admiralen und anderen Insekten bevölkert waren. Die Luft brummte und summte überall. Klar, dass ich in der Begeisterung ein paar schöne Fotos machte, denn wo gibt`s noch Blütenpflanzen und Insekten! Wenig später brummte es am Hafen erneut und diesmal ´richtig´. Zwei Typen machten sich mit schwerem Gerät an genau derselben Stelle zu schaffen, auf der üppig die Gemeine Ochsenzunge in einem ´gesicherten´ Areal außerhalb einer Wegefläche wächst. Innerhalb einer knappen Stunde waren 100m gemäht. Zwar verträgt die Ochsenzunge das Abmähen nach der Blütezeit und wächst im Folgejahr umso kräftiger, doch muss das in voller Blüte gemacht werden, wenn zigtausende Insekten dabei umkommen? Ich finde, man sollte der Nationalparkbehörde den Kahlschlag an vielen Wegrändern mitteilen.
Während einer anderen Radtour beobachteten wir am Südstrandpolder Schnatter- und Brandenten mit Küken. Weit außerhalb der überlaufenen Strandbereiche finden Enten also noch Zonen, wo die Reproduktion funktioniert!
Weniger Glück haben Seeschwalben, Regenpfeifer, Austernfischer und andere Bodenbrüter. Zwar hat man 100 m südlich der Surfschule, am Sportboothafen, endlich zwei Strandzonen eingezäunt und beschildert, auf der Sandregenpfeifer und Flussseeschwalben brüten. Eigentlich prima- sollte man meinen…! Bei näherer Betrachtung stellte ich aber fest, dass innerhalb einer Stunde -zig Störungen stattfinden, bei der die Gelege verlassen werden. Mal sind es Surfer, die auf ihrem Brett vorbei preschen, Fuß-
gänger oder Radler. Letztere stören besonders langanhaltend, denn in der Regel wird der Text der Beschilderung gelesen. Hinzu kommt, dass die Zaunanlage viel zu nahe an den Gelegen montiert ist und der Scheuchabstand nicht gewahrt ist. Naturschutz eindeutig gut gemeint, doch wirkungslos. Fazit: Naturschutz auf unterstem Level und auf keinen Fall einen Clinch mit dem Tourismus riskieren. (In einer grafischen Darstellung hab ich eine bessere Lösung in einer Google-Earth-Montage entwickelt) Auch diese Lösung sollte man der Nationalparkbehörde anbieten und bei wattenrat.de veröffentlichen.
Nach Ende einer Radtour bemerkte ich vom Hafen aus eine aktive Kitergruppe mit Zugsegeln auf der „Übungsplate“ der Surfschule, die seitens der Nationalparkbehörde legalisiert wurde. (Eine falsche Entscheidung und offensichtlich ohne versierte, fachliche Begleitung). Weite Teile der noch trockenen Plate waren vogelleer. Leider hatte ich erst 20 Min. später eine Kamera zur Hand und konnte die Truppe nur noch auf dem Rückmarsch zum Basisboot fotografieren. Aber was sagt uns diese Beobachtung: obwohl die Störungen der Vogelwelt inmitten der Kernzeit des Tourismusgeschäfts auf der Insel selbst immens sind, wird es Kitern zugestanden, in Wattbereiche einzudringen, die von der Wattwanderei bislang verschont waren. Dies ist ein Skandal!
Am 3. Juni sah ich am Wattdeich in Höhe Flugplatzes ein Auto des NLWKN und fragte den Fahrer, wieso er mit dem Auto außendeichs am Deichfuß fährt und dabei die Nester von Austernfischern und anderen Bodenbrütern gefährdet. Gefahr war also im Verzug! Ich fragte den Fahrer nach seinem Auftrag. Knappe Antwort: ´Schädlingsbekämpfung. Das mache ich schon genauso seit 30 Jahren! Hier brüten keine Vögel am Deich!´ Der Mann war völlig immun dagegen, evtl. Rücksicht zu nehmen und auf meine Bitte irgendwie positiv zu reagieren. Bevor ich das Gespräch abbrach, gab ich ihm zu verstehen, dass er für das NLWKN ein schlechter Repräsentant sei und den Wortsinn des „N“ innerhalb des NLWKN wohl nicht kapiert habe. (Hinweis: ich vermute, dass der NLWKN-Mitarbeiter auf Kaninchenlöcher im Deich fixiert war. Doch kann man das nicht zu Fuß oder mit einem Fahrrad machen?)
Inselausflüge im Sommer sind immer von ähnlichen Begebenheiten geprägt, umso dringlicher ist`s, sich den alltäglichen Wahnsinn im ´Welterbe´ des Nationalparks anzugucken.“
Nachwort, 15. Juni 2019: Das oben Geschilderte war jeweils eine Momentaufnahme an nur wenigen Tagen, von einem Beobachter, der gelernt hat, genau hinzusehen. Die zahllosen Zerstörungen und Störungen in diesem Großschutzgebiet sind aber Alltag. In den Medien findet man dazu kaum etwas. Über den Nationalpark und das „Weltnaturerbe“ wird in der Regel als Tourismuserlebnisort mit „Events“ der Spaßgesellschaft und schönen Bildern berichtet. Ein Beispiel von vielen, wie der Naturraum der Inseln als Lifestyle-Beitrag vermarktet wird, hier beim NDR-Fernsehen, zwangsgebührenfinanziert und nicht zu ersten Mal:
Langeoog News, 15. Juni 2019
NDR-Dreharbeiten sind abgeschlossen
Für das NDR-Team um Moderatorin und Tagesschau-Sprecherin Judith Rakers sind am Freitag die umfangreichen Dreharbeiten für eine Langeoog-Folge der neuen Staffel der Reihe Inselreportagen zu Ende gegangen. Die neue Staffel wird ab September ausgestrahlt, wann die Langeoog-Folge zu sehen sein wird, ist noch nicht bekannt, wird aber rechtzeitig von Langeoog News bekannt gemacht. Am Donnerstag ließ sich Judith Rakers von Michael Recktenwald von Panoramarestaurant Seekrug in die Geheimnisse seiner regionale Küche einführen. […]